Boris Blank von Yello im Interview

PPVMEDIEN GmbH
2021-01-01 15:13:00 / Musiker News & Infos
Boris Blank von Yello im Interview - Interview: Boris Blank von Yello

Yello gelten als Vorreiter der elektronischen Musik und liefern auf ihren Alben Referenz-Sound. Das neue Werk des Schweizer Duos eröffnet sogar den Weg in die dritte Dimension: „Point“ wurde auch in Dolby Atmos umgesetzt. KEYS hat sich mit Sampling-Pionier Boris Blank von Yello unterhalten.


Bors Blank von Yello gilt als Pionier des Samplings. Foto: Wanner/Yello

Yello sind eigentlich zwei Bands. Einerseits gibt es die Yello, deren Musik wirklich jeder schon gehört hat. Ob „Oh Yeah“ oder „The Race“ – einige Melodien, Rhythmen und Klanggebilde des Züricher Duos sind längst Teil des kollektiven kulturellen Bewusstseins geworden. Dann gibt es noch die Yello, die vor allem Audiophile und Musik-Connaisseure begeistern mit ihren innovativen Sound-Strukturen und einer akustischen Präsentation, die unerreicht detailliert, aufgeräumt und transparent erklingt. Wer schon einen Tag auf einer Messe verbracht hat, auf der Lautsprecher präsentiert werden, kennt die Musik von Yello mit Sicherheit auch in diesem Zusammenhang.

Pioniere der elektronischen Musik

Während Text- und Stimmkünstler Dieter Meier für die frei assoziative Lyrik und deren Umsetzung zuständig ist, sorgt Boris Blank für die Musik. Diese in Worte zu fassen ist dabei nicht leicht: In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern ist Blank ein Pionier der Sampling-Technik, die der elektronischen Musik ganz neue Tore öffnet.

Mit seinem außergewöhnlichen Gespür für die Musikalität von Geräuschen erschafft Blank mit Yello einen Klangkosmos, der so einflussreich wie einzigartig ist. Dabei fällt in jedem Stück und auf jedem Album dem geneigten Hörer die Exaktheit auf, mit der die Klänge bis ins Detail geschliffen wurden. Gleichzeitig wirkt die Musik von Yello aber nie steril, sondern immer organisch, lebendig und echt.

Das aktuelle Album, „Point“, reiht sich perfekt in die Diskografie des Projekts ein. Es klingt frisch, kreativ und pulsiert vor Schaffenskraft, bleibt dem Klangkonzept von Yello aber in jeder Sekunde treu. Vom herrlich dadaistisch betitelten „Waba Duba“ bis zum abschließenden „Siren Singing“ ist „Point“ ein Yello-Album durch und durch. Wir trafen einen gut gelaunten Boris Blank, wie man es in diesem Jahr zu tun pflegt, digital per Videokonferenz.

KEYS: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! Wenn man sich ein wenig in der Medienlandschaft umsieht, kommt das Album ja wirklich hervorragend an.

Boris Blank: Danke. Ja, das stimmt. Wir haben das zum Beispiel am Special-Edition-Boxset gesehen, das war schnell ausverkauft. 3000 Exemplare in zwei Wochen.

KEYS: Der spezielle Sound von Yello besteht ja zu einem guten Teil aus Geräuschen, die zu Musik werden.

Boris Blank: Ich liebe Rhythmus, ich bin damals schon ein Klangjäger gewesen. Auch heute bin ich noch Jäger und Sammler und habe eine große Kollektion von Sounds. Wenn man sich mal die letzten 14 CDs anhört – die sind nicht immer gleich, sie haben aber doch einen ähnlichen Charakter. Man kann ja auch stolz darauf sein, dass es einen Wiedererkennungswert gibt. Aber es gibt eben auch immer wieder neue Klänge, neue musikalische Perspektiven, die sich auftun. Ich glaube in dem Sinne bin ich heute noch Jäger, denn was ich in der Sammlung habe, das habe ich, aber neue Sachen interessieren mich natürlich nach wie vor.

KEYS: Meinst du damit nur neue Sounds oder auch die technischen Fortschritte der Technologie?

Boris Blank: Da dient natürlich auch eine gewisse Technologie der Musik, von einem guten Paar Lautsprecher bis hin zur anregenden Musikwelt der modernen Technologie, sprich Plug-ins und Computer. Die Sample-Möglichkeiten sind viel bequemer geworden, viel komfortabler. Früher musste man Schnipsel von Magnetbändern in kleine Stücke zerschneiden – diese Viertelzoll-Bänder –, jedes Stück in gleicher Länge auseinanderschneiden und wieder in zufälliger Reihenfolge zusammensetzen. Mit solchen Methoden habe ich gearbeitet. Wenn man so ein Stück Tonband wieder als Loop über die Tonköpfe abspielt, ergibt das eine Art rhythmische Sequenz.  Damit habe ich damals Tage verbracht.

KEYS: Das ist ein großer Zeitaufwand.

Boris Blank: Das war sehr zeitaufreibend, sehr zeitaufwendig. Und am Schluss war man vielleicht nicht ganz glücklich und musste nochmal von vorne anfangen. Wenn diese Schnipsel einen Rhythmus ergaben, sozusagen eine damals moderne Sequenz, dann habe ich dazu Gitarre gespielt, Flöten, Bongos, was auch immer, in den Tagen vor dem Sampling. Sampling hat das ganze natürlich immens vereinfacht. Das ist meine Welt, heute noch.

KEYS: Wie begegnest du den Geräuschen, die du sammelst?

Boris Blank: Ich bin sehr angetan von absolut verschiedenen Geräuschen. Ich habe ja sogar meine eigene App entwickelt, Yellofier, die dient mir als Taschenstudio, das ich immer dabei habe. Wenn ich mit dem Hund spazieren gehe oder mich sonst irgendwo befinde, habe ich immer alle Möglichkeiten, in ganz kurzer Zeit musikalische Sounds aufzuzeichnen und zu skizzieren. Der rote Faden in den letzten 40 Jahren war immer die Musik und letztlich waren es auch immer wieder Klänge, die mich faszinierten. Mit den Möglichkeiten, die man heute hat: Wie ein Wissenschaftler durch ein Rastertunnelmikroskop in die molekularen Strukturen einer Materie geht, kann man das in der Musikwelt auch. Man kann sogar ein bisschen Gott spielen, um diese Strukturen zu verändern. Dieses Experimentieren, diese Formbarkeit von Klängen ist nach wie vor meine Triebfeder.

KEYS: Das neue Album, „Point“, schafft den schwierigen Spagat zwischen neuer Hörerfahrung und Wiedererkennbarkeit von Yello. Wie schaffst Du es, eindeutige Yello-Stücke zu produzieren, die trotzdem frisch klingen?

Boris Blank: Wenn ich das wüsste. (lacht) Das höre ich öfter. Es gibt also wohl eine Wiedererkennbarkeit oder Signifikanz in diesen Sounds. Ich weiß nicht genau, was es ist. Vielleicht sind es gewisse Rhythmusstrukturen, gewisse Bass-Sympathien, die ich habe. So ein Stück ist ja nicht nur kreative Klangmalerei, sondern auch Arbeit. Wenn eine Produktion sich gegen Ende neigt – nachdem die ganze Fantasie, die Kreativität ihren Platz gefunden hat in einem Stück –, kommt die eher administrative Arbeit, die nicht so viel Spaß macht. Da geht es dann um die Trennung der verschiedenen Frequenzen, damit das Soundbild begehbar wird. Damit jeder, der das Stück hört, in diese Klangwelt eintauchen und sich zurechtfinden kann. Damit das Stück nicht zweidimensional bleibt, sondern eine Perspektive in jedem Stück enthalten ist. Das ist wahrscheinlich eine Charakteristik des Sounds von Yello.

KEYS: Für diese außergewöhnliche Transparenz ist Yello ja auch berühmt.

Boris Blank: Ich habe ja schon erwähnt, dass mich Tools, die ich verwende, immer wieder auf dem Laufenden halten. Ich muss mich immer frischhalten, um die neuen Plug-ins zu lernen. Die Bedienungsanleitungen durchzugehen und diese Architekturen der verschiedenen Geräte zu entdecken – das gehört mitunter auch zu dieser Reise, die dann letztlich in die neuen Elemente der Musik von Yello führt. Ansonsten sind eigentlich die Arbeitsmethode und die Ästhetik, die ich bei der Produktion verfolge, immer dieselben.

KEYS: Wie kann man sich die Entstehung eines Yello-Stücks vorstellen?

Boris Blank: Seit damals habe ich eine kindliche Freude am Entstehen eines Stückes. Am Anfang ist das auch oft gar nicht so klar, was es wird. Ich ziehe immer wieder den Vergleich mit dem Maler heran, der seine Palette vor sich hat mit verschiedenen Farben und mit einer leeren Leinwand beginnt. Der erste Farbtupfer zeichnet sich ab und es entsteht etwas, von dem ich selbst noch nicht weiß, was es am Schluss sein wird. Irgendwann steht eine Kontur, irgendein Umriss, an den ich mich halten kann und dann fügen sich nach und nach immer klarere Konturen an. An diesen roten Faden halte ich mich dann. Das zieht mich bis zum dicken Strick in diese Klänge und in diese Stücke hinein.

KEYS: Die Erstellung eines Stücks ist also auch für dich eine Entdeckungsreise?

Boris Blank: Absolut, ja! Wie Humboldt damals im Dschungel bin ich auch in meiner Musikwelt und in meinen Klängen befangen und überrasche mich immer von neuem. Ich glaube das ist auch ein Glück, vielleicht auch, dass ich nie Noten studiert habe. Ich kann heute noch keine Noten lesen, ich hab mich nie in Harmonielehre oder mit symphonischer oder klassischer Musik so befasst, dass ich das akademisch nachvollziehen könnte. Deshalb bin ich noch heute gewissermaßen jungfräulich beim Musikmachen. Mit viel Freude.

Das vollständig Interview lest ihr in KEYS 01/2021 – die Ausgabe könnt ihr gleich hier im Shop bestellen!


Text: Moritz Hillmayer


Blog