Vom Ritchie: „Ich kann mich nicht zurückhalten!”

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2022-08-03 16:04:00 / Musiker News & Infos
Vom Ritchie: „Ich kann mich nicht zurückhalten!” - Vom Ritchie: Ich kann mich nicht zurückhalten!

Auch nach 20 Jahren gilt Vom Ritchie als der „Neue” bei den Toten Hosen. Und doch hat der Brite und Wahl-Düsseldorfer einen großen Teil die Historie der Kult-Punks mitgeprägt. Im Interview verriet uns das Energiebündel so manche Anekdote auf Tour und dass er nicht gerade zimperlich mit seinem Equipment umgeht ...

Wohl niemand aus der Band hätte gedacht, dass der 10. April 1982 einmal zum offiziellen Bandgeburtstag ausgerufen werden würde. An jenem Tag spielten die Toten Hosen im Bremer „Schlachthof” ihr erstes Konzert. Nach unzähligen schweißtreibenden Konzerten, bitteren Schicksalsschlägen und Sternstunden freuen sich die Toten Hosen heute 40 Jahre später ihr rundes Bandjubiläum gebührend zu feiern.  

DH!!: Vom, nach der Bandgründung im Jahr 1982, glaubten nicht viele, dass die Toten Hosen lange bestehen würden. Nun feiert die Band ihr 40-jähriges Jubiläum. Wie habt ihr das geschafft?
Vom Ritchie: Das ist eine schwierige Frage für den „neuen” in der Band (lacht). Ich denke, was die Hosen auszeichnet, ist diese besonders enge Verbindung zu ihren Fans. Wir sind sehr bemüht, dass unsere Fans viel für ihr Geld bekommen – eine geile Show, faire Ticketpreise, starke Support-Bands und tolle Merch-Artikel. Und ganz wichtig – die Songs sind einfach gut! Außerdem glaube ich, dass wir über die Jahre hinweg gerade bei Live-Shows immer noch Vollgas geben und das wissen die Fans zu schätzen.  

Du bist 1999 zur Band gestoßen. Damals war die Band schon in sehr populär in Deutschland. Wie hast du den Job bei den Hosen bekommen?
Oh, das ist ’ne lange Geschichte. Ich lebte damals in Düsseldorf. Der Kontakt kam durch meine damalige Freundin Monique Maasen zustande, die für die Hosen einige Gesangsspuren eingesungen hatte. Sie sagte mir eines Abends, dass ich in die Philipshalle fahren solle. Der Drummer von The Yobs war von der Bühne gefallen und hatte sich den Arm gebrochen. Die Yobs waren an diesem Abend Vorband der Toten Hosen. Ich musste das Set innerhalb einer halben Stunde lernen. Beim Soundcheck sah mich Campino (Sänger d. Toten Hosen, Anm. d. Red.), wie wir „Little Drummer Boy” spielten und er mochte, was ich spielte. So kamen wir ins Gespräch und danach lernte ich die Band kennen und wir nahmen auch ein paar Demos auf. Der damalige Drummer Wölli (Wolfgang Rohde, Ex-Drummer der Toten Hosen, Anm. d. Red.) bekam in dieser Zeit zunehmend Probleme mit seinem Rücken. Einmal wurde sogar sein Arm taub, so dass er kaum noch spielen konnte. Die Band schlug mich als Ersatz für die Warped-Tour vor, um bei Shows für Wölli einspringen zu können, was aber nie passierte. Ich war damals aber auch schon als Drum-Tech für die Hosen aktiv und Wölli sagte oft zu mir, dass ich der neue Drummer der Hosen werden würde. Ich dachte, er scherzt nur, aber er sollte bald recht behalten. Nach dieser Tour stieg Wölli aus, weil er die Band aufgrund seiner Verletzung nicht ausbremsen wollte. Campino fragte mich daraufhin, ob ich voll einsteigen wollte und ich sagte „Ja” (lacht).

Die Hosen gelten ja auch als eine sehr reisefreudige Band und haben schon an den entlegensten Orten gespielt. Welche Gigs sind dir am besten im Gedächtnis geblieben?
Da fallen mir einige verrückte Auftritte ein. Einmal spielten wir in Argentinien, es war überhaupt meine erste Show in diesem Land und während wir spielten, begann sich die Bühne zu bewegen. Ich fühlte, wie ich langsam nach unten sank und die Verstärker um mich herum einstürzten. Ich realisierte erst gar nicht, was genau passierte, aber die Bühne war einfach zusammengebrochen. Es gab dann sogar Tumulte im Publikum. Zum Glück blieben wir unverletzt und wir konnten die Show am nächsten Tag fortsetzen. Auf der letzten Tour wurde ich vor der Show von einer Wespe gestochen, als ich einen Regenschirm greifen wollte. Das ganze medizinische Personal schwirrte um mich herum und sie schlossen mich an eine Herz-Lungen-Maschine an. Ich wusste nicht, dass ich hoch-allergisch auf Wespenstiche reagiere. Unser Auftritt musste um eine halbe Stunde verschoben werden, aber danach konnte ich wieder spielen. Bei einem Gig In Myanmar fühlten wir uns richtig eingeschüchtert vom massiven Aufgebot des Secrurity-Personals. Es waren überhaupt nicht viele Leute da. Doch als wir angefangen hatten zu spielen, wussten wir warum: plötzlich stürmte eine Horde Punks die Bühne. Es war einfach nur verrückt. Gar nicht so leicht, die wieder von der Bühne zu kriegen (lacht). Die Secrurity meinte hinterher so: „Wir haben es euch doch gesagt.” Mir fällt es schwer mich an bestimmte Konzerte zu erinnern. Zum Beispiel habe ich bestimmt zwanzigmal in der Dortmunder Westfalenhalle gespielt, aber ich weiß nicht mehr, was bei den einzelnen Shows passiert ist. Anders war das bei der Magical-Mystery-Tour. Da haben wir an eher ungewöhnlichen Locations gespielt, wie auf in einem Zug, oder auf einem Boot oder in einer Wohnung vor 25 Leuten oder bei der Feuerwehr. Daran kann ich mich sehr gut errinnern.

Die Toten Hosen gehörten in den 1980ern zu den wenigen Bands aus dem Westen, die in der damaligen DDR aufgetreten sind. Damals keine leichte Sache ...
Absolut, das war zu dieser Zeit echt mutig für eine Band aus dem Westen, weil die Behörden und die Stasi die Musikszene im Blick hatten. Die Band hatte es aber geschafft einige Gigs in Ost-Berlin zu spielen. Als sie gefragt wurden, woher sie kamen, sagten sie, sie wären aus Dresden. Es gibt eine TV-Doku, „Auswärtsspiel”, die diese Gigs im Osten beleuchtet. Ich hatte leider nicht die Chance als junger Musiker im ehemaligen Osten zu spielen.

Die Hosen sind bekannt dafür, dass sie eine recht party-freudige Band sind. Lasst ihr es heute auf euren After-Show-Partys immer noch so krachen?
Was mich betrifft, ja, natürlich ... leider! Nein, mal im Ernst, klar feiern wir gern, aber Exzesse gehören der Vergangenheit an. So eine Show zu spielen, zwei bis zweieinhalb Stunden ist echt harte Arbeit. Du musst fit sein, um das durchzustehen. Wenn wir nicht mit den Hosen spielen, habe ich ja noch meine anderen Bands, wie Cryssis, dann Tosscat, und T.V. Smith. Die halten mich fit. Während der Pandemie war das für mich das Schlimmste, nicht spielen zu können, nicht aktiv zu sein.  Ich wäre fast verrückt geworden. Meine ganze Energie fließt in das Schlagzeugspiel. Drumming ist meine Therapie. Ich kann dabei Aggressionen abbauen. Doch einfach nur allein im Proberaum zu spielen, Uffta, Uffta, Zisch ... das wäre auch nichts für mich. Ich brauche Musiker um mich herum, um kreativ zu sein. Es ist dabei für mich auch nicht so wichtig, in riesigen Hallen zu spielen. Mit Cryssis oder auch T.V. Smith spielen wir manchmal auch nur vor 50 Leuten. Ich will einfach spielen!

(...)

© Paul Gärtner


Kreuz und quer ging es auch weiterhin beim Gespräch mit Vom, der noch einige lustige Geschichten ausgeplaudert hat. Den Rest vom Interview gibt es in DrumHeads!! 4/2022, die hier im Shop erhältlich ist.


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