Vocal-Recording

PPVMEDIEN GmbH
2019-03-25 12:09:00 / Musiker News & Infos

Die Stimme spielt in vielen Songs die tragende Rolle und sollte schon im Aufnahmestadium höchste Beachtung finden. Damit auch ihr den vollen Durchblick für das Recording der Stimme bekommt, gibt es hier einige wertvolle Tipps für euren Workflow, um noch bessere Vocal-Recording-Ergebnisse zu erzielen.

Vocal-Recording

Auch wenn die Aufnahme des Gesangs vergleichsweise einfach auszuführen erscheint, hat die Materie es ganz schön in sich. Rein technisch werden lediglich ein Mikrofon, der Sänger und etwas Kleinkram (Kabel, Pop-Schutz et cetera) benötigt. Dennoch ist die Gesangsaufnahme auditiv, zwischenmenschlich und produktionspsychologisch eine viel umfassendere Herausforderung.

Die psychologische Komponente

Ein Sänger teilt mit seinen Lyrics mitunter sehr persönliche Gefühle mit; vor allem wenn die Worte aus seiner Feder stammen. Sensibilität und Empathie sind oberstes Gebot für euch als Aufnahmeleiter, um eine funktionierende Arbeits- und Wohlfühlatmosphäre entstehen zu lassen. Die Stimme ist oftmals die stärkste kommunikative Verbindung zwischen Musik und Konsument. Eure Aufgabe liegt darin, die bestmögliche Performance zusammen mit dem Künstler zu schaffen.

Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich natürlich nicht perfekt konstruieren, doch ihr solltet einige Grundregeln beachten. Lasst dem Sänger Platz zum Reden und zum Entfalten. Versucht, die Situation nicht zu dominieren, sondern den Menschen zunächst ankommen zu lassen. Richtet das Studio nach seinen Bedürfnissen und euren Kapazitäten ein. Achtet auf angenehme Zimmertemperatur und passende Lichtverhältnisse. Trockenheit durch Heizungsluft sollte vermieden werden, damit die Stimme nicht leidet. Habt auch einige Teesorten und hals-/stimmschonende Arznei am Start.

Orientiert euch an der Persönlichkeit des Sängers und der Stimmung des Songs. Eine traurige Ballade braucht vermutlich eher dunkles Licht in einer gemütlichen Atmosphäre. Seid nicht abgeneigt, technisch ungewöhnliche Wege zu gehen. Sollte der Sänger lieber im Liegen einsingen wollen, probiert es und hört, wie das Ergebnis klingt. Hier ist der Weg das Ziel. Eine korrekte Lehrbuch-Herangehensweise führt nicht immer zu den besten Ergebnissen.

Im Vorfeld solltet ihr euch inhaltlich so gut wie möglich auf die Aufnahme-Session vorbereiten. Fragt nach den Lyrics und versucht, diese so gut wie auswendig draufzuhaben. Singt sie auch gern vorher selbst zum Playback, um ein Gefühl für Satzmelodie und -rhythmik zu bekommen. So könnt ihr etwaige Probleme schon voraussehen und über Alternativen nachdenken. Besprecht mit dem Sänger auch, ob er gegebenenfalls auf seine Bandkollegen bei der Aufnahme verzichten möchte. Manchmal können auch die besten Bandkollegen die Konzentration stören, wenn sie keine effiziente Aufgabe verfolgen.

Das passende Equipment

Das eine perfekte Mikrofon gibt es leider auch bei den Vocal-Aufnahmen nicht. Es hängt davon ab, auf welche Art und Weise euer Sänger singt und wie die Stimmung der Musik ist. Es gibt Unterschiede zwischen einer männlichen und weiblichen Gesangsstimme. Der Grundton des Mannes ist mit 150 Hz meist tiefer als bei einer Frau, der bei ihr im Bereich 250 Hz liegt. Darüber hinaus unterscheiden sich die Präsenzbereiche: Beim Mann liegt er bei circa 2,5 khz und bei der Frau bei 3,5 khz. Somit findet bei einem Mann eher der Nahbesprechungseffekt statt, bei dem der Bassanteil exponentiell steigt, je näher man an die Mikrofonkapsel tritt.

Versucht den optimalen Abstand zum Mikro durch Probieren zu finden. Ein gut ausgebildeter Sänger hält Abstände zum Mikro in Abhängigkeit zur gesungen Lautstärke ein, sodass eine einigermaßen konstante Lautstärke gesungen wird. Wer für eine bestimmte Passage lauter singen muss, um zum Beispiel die volle Kraft entfalten zu können, sollte auch einen größeren Abstand zum Mikro haben. Die Klangfarbe ändert sich sonst zu stark. Nichts kann nerviger für anschließende Kompression sein, da sich auch hier die Klangfarbe massiv ändert. Andererseits kann der Klangunterschied durch den Nahbesprechungseffekt auch geschickt genutzt werden, wenn es beispielsweise eine sehr ruhige Passage gibt und man dem Sänger mehr Tiefe im Ton geben will – dann am besten einfach sehr dicht an der Kapsel singen lassen. In den meisten Fällen kommt ein klassisches Großkondensatormikrofon zum Einsatz.

Günstige und qualitativ hochwertige Großkondensatoren sind beispielsweise das Røde NT1, das es mit Spinne und XLR-Kabel für unter 200 Euro gibt. Auch diverse Tbone-Modelle oder oder das Audio-Technica AT 2035 sind schon unter 200 Euro erhältlich. Bedenkt auch, dass ein Großkondensator-Mikrofon für vielerlei andere Aufnahmezwecke genutzt werden kann. Gerade das besagte Audio-Technica AT2035 glänzt auch vor Akustikgitarren. Lediglich die Überbetonung von S-Lauten kann ein Problem darstellen, das mit einem De-Esser leicht gelöst werden kann.

Geheimtipp Neumann TLM102

Ein Geheimtipp unter den High-End-Mikrofonen ist das Neumann TLM102, das circa 700 Euro kostet und eine wahre Referenz geworden ist. Es hat einen ausgeglichen Frequenzbereich und ist bekannt für angenehm klingende Mitten. Das Shure PGA27 liegt im Bereich um die 200 Euro und hat einen ausgewogenen Bassbereich, sodass dunklere Stimmen nicht undurchsichtig klingen und an Präsenz verlieren. Es ist ein besonders robustes Mikrofon und kann auch harte Konsonanten gut vertragen. Das Gegenteil dazu ist das AKG P220 mit einem sehr ausgeprägten Präsenzbereich. Ein Akustikschirm ist sinnvoll, wenn euer Aufnahmeraum nicht akustisch optimiert ist. Wie immer solltet ihr den A/B-Vergleich machen und prüfen, ob der Schirm einen positiven Einfluss auf die Aufnahme hat oder stört.

Den vollständigen Workshop lest ihr in Recording Magazin 3/2019 – die Ausgabe könnt ihr direkt hier im Shop bestellen.

Text: Tobias Mertens


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