Die ersten Luftfahrtpioniere waren hauptsächlich mit dem Problem beschäftigt, wie man in die Luft kommt und dort bleibt. Die frühen Flüge fanden innerhalb der Grenzen von besonders geeigneten Flächen, oft Exerzierplätzen statt. Hier waren die Bedingungen für die Piloten bekannt und nach der Landung waren die Hilfskräfte und Mechaniker schnell am Fluggerät. Ein weiterer Vorteil solcher abgeschlossener Fluggelände war, dass sie meist umzäunt waren und so von Zuschauern Eintrittsgeld verlangt werden konnte.
Ein solches Fluggelände in Deutschland war das Tempelhofer Feld, ein Exerzierplatz mitten in Berlin. Hier zeigte der amerikanische Luftfahrtpionier Orville Wright ab dem 4. September 1909 sein neuestes Doppeldecker-Flugzeug und führte täglich Schauflüge vor höchsten Herrschaften und normalen Besuchern durch. Ab dem 23. September gesellte sich der Franzose Huber Latham mit seinem filigranen Eindecker vom Typ Antoinette dazu. Da Tempelhof eigentlich ein zweckentfremdetes Militärgelände war, hatte man in Berlin im nahen Ortsteil Johannisthal extra ein eigenes Flugfeld für die neue Sportart eingerichtet. Zur Einweihung wurde in Johannsthal vom 26. September bis zum 3. Oktober 1909 eine Internationale Flugwoche durchgeführt. Hohe Preisgelder wurden ausgelobt, um die besten Konstrukteure und Piloten Europas nach Berlin zu locken. Die deutschen Aviatiker sollten von der Konkurrenz lernen können.
Henry Farman beim ersten Überlandflug der Welt im Oktober 1908 (Abbildung gemeinfrei).
Normalerweise wurden die zerbrechlichen Flugzeuge bei einer Verlegung von einem Flugplatz zum nächsten demontiert, mit einem Pferdefuhrwerk zur Eisenbahn gebracht, umgeladen und am Zielort wieder per Pferdewagen zum nächsten Flugfeld transportiert. Hier mussten die Flugzeuge wieder montiert und überprüft werden, bevor es in die Luft ging. Vom Flugplatz Tempelhof nach Johannisthal sind es etwa acht Kilometer Luftlinie. Vom Flugfeld aus kann man in südöstlicher Richtung den Turm der Dorfkirche des kleinen Ortes Britz erkennen, dahinter schwebt ein großer Fesselballon, der den Flugplatz Johannisthal markiert. Latham hatte über Tempelhof kreisend schon längere Flugstrecken zurückgelegt. Also entschied er sich, auf den komplizierten Ab- und Aufbau seines Flugzeugs zu verzichten und direkt nach Johannisthal zu fliegen. Knapp ein Jahr zuvor hatte sein Landsmann Henry Farman den ersten Überlandflug der Welt durchgeführt. Mit der schon vor dem Start deutlich sichtbaren Landmarke Britzer Kirche konnte eigentlich nichts schief gehen.
Am 27. September 1909 nachmittags startete Hubert Latham mit seiner Antoinette in Tempelhof und flog in etwa 70 Metern Höhe in Richtung Britz. Sein Flugzeug erregt am Boden natürlich Aufmerksamkeit. Überall blieben die Menschen stehen und schauten dem langsam fliegenden Flugzeug nach. An der Straßenkreuzung an der Britzer Kirche gerieten aber die Pferde eines Fuhrwerks durch das brummende Fluggerät in Panik und gingen durch. Dabei muss ein Schaden entstanden sein, denn der Kutscher erstattete Anzeige. Nun war ein deutsches Gericht gezwungen, sich mit einer Grundsatzfrage der Luftfahrt auseinanderzusetzen: Darf ein Fluggerät ein fremdes Grundstück ohne Erlaubnis überfliegen? Der Fall war so kompliziert und brisant, dass sich das Gericht aus der Verantwortung stahl, indem es Lantham nur wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ zu einer (hohen) Geldstrafe von 150 Mark verurteilte. Nach den damals noch ungenügenden gesetzlichen Regelungen, hatte sich Latahm beim Überflug fremder Grundstücke eigentlich des Hausfriedensbruches schuldig gemacht.
Das Flugzeug vom Typ Antoinette von Hubert Latham 1909. (Abbildung gemeinfrei)
Durch die zahllosen ferngesteuerten Drohnen ist die Diskussion heute wieder in Gang gekommen. Da Drohnen meist mit Kameras ausgerüstet sind, greift hier der Schutz der Privatsphäre, der einen Drohnenflug über einem fremden Privatgrundstück verbietet. Flugzeuge dürfen oberhalb 300 Metern überall fliegen und bei öffentlichem Interesse, dürfen Flugzeuge, etwa zur Landung, diese Höhe unterschreiten.
Eine interessante Anekdote zur Überfliegung eines fremden Staates ereignete sich in den 1950er-Jahren. Die USA und die UdSSR hatten beiden den Start eines künstlichen Erdsatelliten angekündigt. US-Präsident Eisenhower war wenig begeistert davon, sich Protesten der Sowjets vor der UNO ausgesetzt zu sehen, die Amerikaner würden ihre Hoheitsrechte durch den Überflug eines Satelliten verletzen. Da man in den USA ohnehin Zweifel hatte, dass die UdSSR technisch in der Lage sei, einen Satelliten in den Orbit zu bekommen, schob Eisenhower die Entscheidung eines Raketenstarts vor sich her - bis eines Tages im Jahr 1967 der Sputnik um die Erde kreiste.
In nationalem Maßstab gilt heute das Hoheitsrecht über einem Staat bis an die Grenze des Weltraums, die durch die Internationale Aeronautische Förderation auf 100 Kilometer Höhe festgelegt ist. Durch Gewohnheit wird diese Grenze heute von allen Nationen akzeptiert. Seit 1967 gilt das internationale Weltraumrecht, nach dem das Weltall frei schiffbar ist und Himmelskörper nicht von Nationen oder Personen annektiert werden können. So haben vor über hundert Jahren ein paar scheuende Pferde zu einer Rechtsprechung geführt, die theoretisch bis an den Rand des Universums gilt.
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