Tensnake zählt zu den interessantesten House-Produzenten Deutschlands. KEYS hat sich mit ihm unter anderem über Remix-Aufträge, seine Einflüsse und seine aktuelle Albumproduktion unterhalten.
2010 landete der Hamburger Produzent und DJ Tensnake mit „Coma Cat“ einen Überraschungserfolg, der besonders in England für Aufsehen sorgte und das Deep-House-Revival mit befeuerte. Es folgten weitere Hits wie „Love Sublime“ (featuring Nile Rodgers) und „Automatic“. Tensnake ist aber auch ein gefragter Remixer und überarbeitete schon Tracks für Künstler wie Lana Del Rey, Pet Shop Boys, Foals, Goldfrapp oder Boys Noize. Wir haben seinen jüngsten Remix für Martin Harmony alias In Deep We Trust zum Anlass genommen, um uns mit dem Hamburger zu unterhalten.
KEYS: Du hast vor kurzem einen Remix von In Deep We Trusts Song „Ba:sen“ gemacht. Was sind die ersten Schritte, wenn du so einen Auftrag angehst?
Tensnake: Zuallererst höre ich in das Stück rein und schaue, ob ich überhaupt einen Beitrag leisten kann beziehungsweise ob ich eine Idee habe, wie man den Song verbessern könnte. Ich suche nach Inspiration. Dann bekommt man die Stems geschickt – und da gilt die Regel: Je besser die Stems sind, desto einfacher wird der Remix.
KEYS: Was macht die Qualität der Spuren aus?
Tensnake: Erstmal geht es natürlich darum, wie aufgenommen wurde. Neulich habe ich zum Beispiel einen Remix für eine südafrikanische Sängerin gemacht, auf deren Song ein unfassbar guter E-Bass war. Meist spiele ich die Bässe nach, aber in diesem Fall hatten die das so gut aufgenommen, mit richtig viel Druck, dass ich den Bass einfach drinnen gelassen habe. Bei in Deep We Trust fand ich das Thema sehr stark. Auch da bin ich deshalb nah am Original geblieben. Der Song wurde nur ein wenig modernisiert und dicker gemacht. Das war zumindest der Versuch. Es gibt aber auch Stücke, wo ich nur die Vocals drinnen lasse. Die sind ja bei einem Major-Label-Künstler ohnehin gesetzt.
KEYS: Warum?
Tensnake: Naja, bei einer Band wie den Foals, für die ich auch schon einige Remixe gemacht habe, kann man natürlich den Sänger nicht weglassen. Der ist das Fronttier und muss im Stück vorkommen. Der Gesang gehört dann zur Trademark. Was natürlich für den Club nicht gut ist, denn viele DJs spielen gar keine Vocals.
KEYS: Aktuell sitzt du an einem neuen Album. In welche Richtung geht die musikalische Reise?
Tensnake: Ich habe mir vorgenommen, wieder ein bisschen „back to the roots“ zu gehen. Es soll mehr Nummern auf dem Album geben, die man auch ohne Remix im Club spielen kann.
KEYS: Wie kommt es zu dieser Kehrtwende?
Tensnake: Vielleicht liegt das an der Pandemie. Ich hatte seit einem Jahr keine DJ-Gigs mehr und höre gerade auch echt andere Musik. Viel Jazz. Früher habe ich einmal die Woche einen halben Tag Promos durchgehört, was jetzt eine Ewigkeit nicht mehr vorgekommen ist. Ich weiß gar nicht mehr, was draußen abgeht, und habe wieder Lust auf den Club.
KEYS: Du verfolgst in vielen Songs eine Retro-Ästhetik. Bist du ein nostalgischer Mensch?
Tensnake: Teilweise. Ich denke schon, dass Popmusik in den Achtzigern am besten war. Zumindest was das Schreiben von Songs betrifft. Ich bin aber auch total pro Future, etwa wenn es um die Digitalisierung geht. Ich finde es super, im Rechner arbeiten zu können.
KEYS: War dein musikalischer Geschmack schon immer vielschichtig?
Tensnake: Ja. Ich bin in den Achtzigern mit jeder Menge Disco und Funk aufgewachsen. Was an meinem älteren Bruder lag, der einen Haufen Platten aus diesen Genres hatte. Als Teenager bin ich dann aber durch alle Stile durchgerauscht. Mit 16 hatte ich sogar eine kurze Death-Metal-Phase. Bands wie Napalm Death, Carcass und so weiter. Und ich war ein großer Sisters-of-Mercy-Fan. „Floodland“ ist ein grandioses Album.
KEYS: Professionell ging es bei dir mit dem Musikmachen ja erst recht spät los.
Tensnake: Ja, mit 30. Nebenbei habe ich schon immer Musik gemacht. Irgendwann nahm ich mir aber, weil mein Tagesjob weggefallen war, ein Jahr Zeit, um es mit der Musik ernsthaft zu versuchen. Finanziell ging das damals und ich habe mich dann echt dahintergekniet. Der Rest war Glück. Dass „Coma Cat“ so durch die Decke ging, hätte ich nie gedacht. Danach kamen die ersten größeren DJ-Gig-Anfragen. Ich bin da so reingewachsen. Am Anfang habe ich auch, was eigentlich verpönt ist, viel mit dem MIDI-Controller Audioclips abgefeuert. Zu der Zeit waren die Songs im Club sehr dunkel. Ich glaube, mit „Coma Cat“ habe ich einen Nerv getroffen, weil die Leute wieder Lust auf Disco-Sounds hatten.
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Text: Florian Friedman
Foto: Katja Ruge