Digitale Sounds analog veredeln

PPVMEDIEN GmbH
2020-05-15 18:00:00 / Musiker News & Infos
Digitale Sounds analog veredeln - Signal Warming

Besonders in der heutigen digitalen Welt ist analoger Klang gefragt. Die Bandmaschinen und Röhrengeräte von früher klingen einfach angenehm warm. Doch auch mit Plug-ins lässt sich dieser Sound im digitalen Setup nachbilden.


Der warme, volle Klang der Bandmaschinen von früher ist immer noch gefragt. Foto: cody berg/Pexels.com

In den guten alten Zeiten nahm man Audiosignale auf Tonband auf und brauchte für eine 24-Spur-Produktion ein Zwei-Zoll-Band, das gern mal fünf Kilogramm auf die Waage brachte. Auf dieses Band passten dann drei Songs und die Bandmaschine selbst kostete so viel wie ein Einfamilienhaus. Doch der Sound, den die Bandmaschinen alter Tage dem Audiosignal mit auf den Weg gaben, ist heute gefragter denn je. Diverse Plug-ins versuchen den Klang zu imitieren.

Das Original: Bandsättigung

Der Grund für den satten Klang einer analogen Aufnahme auf Magnetband ist der Bandsättigungseffekt, der in seiner Wirkungsweise einem analogen Kompressor mit Softknee-Kurve sehr ähnlich ist. Bei einer analogen Bandmaschine werden magnetische Teilchen, die sich in der Magnetschicht des Tonbands befinden, vom Aufnahmekopf magnetisiert. Durch die Spule im Aufnahmekopf fließt Strom, wodurch ein magnetisches Feld erzeugt wird.

Wenn ihr also ein Signal auf Tonband aufnehmt, dann wird dieses Signal durch die Spule im Aufnahmekopf geleitet. Je höher ihr das Signal aussteuert, desto stärker ist das Magnetfeld, mit dem das Band magnetisiert wird. Beim Wiedergabekopf erfolgt die ganze Prozedur in umgekehrter Reihenfolge: Das magnetisierte Band erzeugt eine Spannung in der Spule des Kopfes, die verstärkt und als Ausgangssignal genutzt wird. Ab einer gewissen Aussteuerung nimmt die Magnetisierung des Tonbands nicht weiter zu, sondern bleibt auch bei weiterer Erhöhung des Eingangspegels auf einem bestimmten Niveau stehen.

Diese sogenannte Bandsättigung ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Kompressionseffekt. Das Besondere an dieser Art von Kompression ist die Art und Weise, wie bei der Bandkompression der Sättigungspunkt erreicht wird: Die Kennlinie knickt nicht hart ab, sondern fährt ganz weich in die Übersteuerung hinein. Dadurch werden Signalspitzen nicht hart begrenzt, sondern mit zunehmendem Pegel immer stärker abgeschwächt.

Durchsetzungsfähiger Sound

Das Schöne an der Aufnahme auf Tonband ist, dass es keine absolute Übersteuerungsgrenze gibt, ab der das aufgenommene Signal unbrauchbar wird. Im Gegenteil: Vielfach wurde, zum Beispiel bei der Aufnahme der Bassdrum, die Übersteuerungsgrenze bewusst um vier bis sechs dB überschritten, um so die Bandkompression voll ausnutzen zu können. Auf diese Weise entsteht ein Sound, den man als durchsetzungsfähig, präsent und mächtig beschreiben kann. So klingt das mit Bandsättigung aufgenommene Mikrofonsignal eines Gitarren-Amps wesentlich weicher, voluminöser und druckvoller, als wenn dieses Signal digital aufgezeichnet worden wäre.

Auch Schlaginstrumente wie Bassdrum oder Snare profitieren von der Bandsättigung: Beide Signale können meist eine satte Kompression gebrauchen und gewinnen durch das Tonband an Durchsetzungsfähigkeit und Punch. Insbesondere Instrumente mit tiefem Frequenzbereich können bei der Aufnahme mit einer Bandmaschine sehr hoch ausgesteuert werden und gewinnen dadurch an Lautheit. Probiert das einmal mit einer Synthie-Basslinie: Selbst ein einfacher Kassettenrekorder kann dem Bass schon die gewisse Wärme und Wucht spendieren, die mit rein digitaler Signalverarbeitung nicht ohne Weiteres erreicht wird.

Defizite der Analogtechnik

Bei all diesen Lobpreisungen des guten alten Tonbands wollen wir die Schattenseiten dieser Technik natürlich nicht außer Acht lasen. Eine Tonbandaufnahme rauscht, die Dynamik ist eingeschränkt und die Auflösung der ganz hohen Frequenzen ist nicht so luftig und brillant wie bei einer Aufnahme mit 24 Bit und 96 kHz. Hochfrequente Signale wie Hi-Hat oder Schlagzeugbecken müssen auch bei Tonbandaufnahmen sehr konservativ ausgesteuert werden, um keine Verzerrungen zu erzeugen.

Um das Rauschen in den Griff zu bekommen, werden bei professionellen Multitrack-Maschinen teure Rauschunterdrückungssysteme eingesetzt, die pro Kanal gern einmal die Tausend-Euro-Marke überschreiten. Das gängige Rauschunterdrückungssystem im Profibereich heißt Dolby SR – mit dieser Rauschunterdrückung ist es möglich, eine Dynamik von circa 90 dB zu erreichen. Diese Technik war nur Profis im Tonstudio zugänglich, weshalb sich damals die professionellen Produktionen meist deutlich von heimischen Demo-Aufnahmen abhoben.

Digitale Tools 

Und hier kommen jetzt die digitalen Bandsättigungs-Tools ins Spiel, mit denen ihr heute auch bei kleinerem Geldbeutel schon eine richtig fett klingende Aufnahme produzieren könnt. Der Markt bietet euch eine ganze Menge Plug-ins und Hardware-Geräte an, die den Tape-Warming-Effekt nachbilden und mit denen ihr das Signal in ähnlicher Weise aufwerten könnt wie mit der analogen Bandkompression.

Dabei sollte euch klar sein, dass die digitale Nachbildung niemals zu hundert Prozent genauso klingt wie das analoge Vorbild. Auch mit Hilfe der Faltungstechnik wird die Übertragungseigenschaft eines Tonbands nur zu einem einzigen Zeitpunkt gesampelt. Zeitabhängige Vorgänge, die bei der Analogtechnik eine große Rolle spielen, werden durch die Faltung nicht berücksichtigt. Ihr solltet euch also darauf einlassen, dass die Warming-Plug-ins nicht exakt genauso klingen, dafür aber manche Sachen sogar besser können als ein analoges Tonband.

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Text: Andreas Ederhof


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