Neal Morse im Interview über das transatlantische Doppelalbum

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2021-04-14 13:17:00 / Musiker News & Infos
Neal Morse im Interview über das transatlantische Doppelalbum - Neal Morse im Interview über das transatlantische Doppelalbum
Geberlaune in Zeiten der Pandemie: Frontmann Neal Morse verrät im Interview alles zur Idee hinter dem neuen Transatlantic-Album, spricht über Equipment und Wege, die Corona Krise zu meistern. Das Büffet ist eröffnet: Transatlantic, die Prog-Rock-Supergroup um Neal Morse, beglücken ihre Fans auf einen Schlag mit gleich zwei Versionen desselben Albums – ihr 90-minütiges Doppelalbum namens „The Absolute Universe: Forevermore“ ist auch als Kurzfassung unter dem Titel „The Absolute Universe: The Breath of Life“ erhältlich. Wir haben mit Morse über diesen ungewöhnlichen Schritt und mehr gesprochen.

SC: Neal, wie kam es zu dem Entschluss, zeitgleich unterschiedliche Versionen eines Albums zu veröffentlichen?

Neal Morse: Das ist alles meine Schuld (lacht). Aber was heißt schon Schuld? Wenn das Ganze von den Fans gut aufgenommen wird, könnte man es ja zu meinen Gunsten auslegen. Im September 2019 trafen wir uns in Schweden und machten erstmal unser übliches Ding. Es gab schon einen Haufen Ideen, aus denen wir wählen konnten. Außerdem haben wir dann noch viel Zeug zusammen geschrieben, bis wir schließlich Material für ein Doppelalbum gesammelt hatten.

SC: Warum dann nicht einfach ein Doppelalbum veröffentlichen?

Morse: Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, gab es in der Band stimmen, die sogar lieber ein Einzelalbum aufgenommen hätten. Ich war eher derjenige, der unbedingt ein Doppelalbum wollte. Als ich aber dieses Mal alle meine Parts eingespielt hatte, nahm ich eine Weile Abstand von dem Material. Ich machte Urlaub, spielte ein paar Gigs in Australien und schrieb mein neues Soloalbum, „Sola Gratia“. Mitte März hörte ich dann wieder in die Transatlantic-Aufnahmen rein – um zu meiner eigenen Überraschung festzustellen, dass wir vielleicht mehr erreichen würden, wenn wir einiges kürzen.

SC: Dabei ist es aber nicht geblieben. Warum?

Morse: Aus einer Laune heraus, erstellte ich eines Morgens einen Edit des Albums – zirca eine halbe Stunde flog raus. Dann schickte ich den Edit an die anderen mit dem Betreff: „Bin ich verrückt?“ Ich dachte eigentlich, dass alle sagen würden: „Ja, bist du!“ Tatsächlich waren die Meinungen in der Band aber gespalten. Später hielten wir einige Zoom-Meetings zu dieser Frage ab, kamen aber zu keiner Entscheidung. Mike (Portnoy, Schlagzeug, Anm. d. Red.) sagte dann: „Hey, lass uns den Fans alles geben!“ Nach dem Motto: Mehr ist zwar nie genug, aber besser als zu wenig.

SC: Buchstäblich eine beispiellose Entscheidung …

Morse: Genau, das gab es nämlich noch nie. Wir wollten die Versionen dann so unterschiedlich wie möglich zu gestalten. Roine (Stolt, Gitarre, Anm. d. Red.) sollte sich um die lange Version kümmern, und mir vertraute man die kurze Version an. Mike hatte alles im Blick – er war sozusagen unser Vorarbeiter. Und den brauchten wir auch, denn es gab eine Menge zu tun: Ganze Songs wurden hinzugefügt, Instrumentalpassagen wurden neu eingespielt, es gab neue Texte und teilweise wechselten auch die Sänger.

SC: Worin besteht der deutlichste Unterschied?

Morse: Das sind sicher die neuen Stücke, „Can You Feel It“ etwa. Aber im ersten Song sind zum Beispiel auch die Strophen und Refrains anders. Von der Ouvertüre zum Album gibt es jetzt außerdem vier verschiedene Versionen. Die auf „Forevermore“, eine für „The Breath of Life“ sowie jeweils eine 5.1- und eine Single-Version.

SC: Das entspringt alles einer Haltung, die für den Prog-Rock typisch ist: Musik komplexer und länger anzulegen, den Fans immer noch ein bisschen mehr zu geben … Eine Einstellung, die gegen den Zeitgeist geht. Die sozialen Medien scheinen unsere Aufmerksamkeitsspanne ja immer drastischer zu schrumpfen. Sind das Themen, über die du als Musiker nachdenkst?

Morse: Sie fallen mir auf, aber als Künstler versuche ich, Abstand von solchen Überlegungen zu nehmen. Ich denke auch, viel kürzer als in den Sechzigern kann die Musik eigentlich nicht werden. Einige Beatles-Songs waren nicht mal zwei Minuten lang.

SC: Trotzdem steht ihr mit Transatlantic für Songs, die musikalisch deutlich komplexer und vielschichtiger ausfallen als das meiste, was heute angesagt ist.

Morse: Klar, aber das haben wir vor allem unseren Fans zu verdanken. Sonst würden wir gar nicht daran denken, so etwas anzugehen. Es liegt aber auch an unserem Label Inside Out, das eh denkt: Die Prog-Fans werden draufstehen! Und das ist ja auch das Großartige an den Transatlantic-Fans – sie widmen sich der Musik intensiv. Und ich bin mir sicher, dass es da draußen schon bald Leute gibt, die mehr über das Album wissen als wir….


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Foto: Inside-Out Music


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