Man sollte meinen, Musiktheorie ist langweilig, trocken und schwer zu lernen – doch ist sie das wirklich? In einer neuen Workshop-Reihe nähern wir uns ab Recording Magazin 2/2020 dem Thema an und führen Schritt für Schritt durch den Notendschungel.
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Ganz ketzerisch könnte man die Frage stellen, ob man überhaupt und wenn ja, wozu man als Produzent Musiktheorie braucht und sich mit solchen Banalitäten wie zum Beispiel Notenlesen auseinandersetzen sollte. Tatsächlich: Es gibt nicht wenige Künstler, die in Biografien oder Interviews damit kokettieren, keine einzige Note lesen zu können. Vielleicht braucht man zum Beispiel das Notenlesen ja auch tatsächlich nicht, um genial eine Melodie singen zu können.
Natürlich kann jemand eine begnadete Stimme und eine fantastische Ausstrahlung haben, ohne eine Note zu kennen. Beispiele, auch von sehr berühmten Sängern, gibt es dafür in der Musikgeschichte genug. Umgekehrt ist es sogar schon deutlich schwieriger – was hilft einem das theoretische Wissen, wenn es theoretisch bleibt und man es praktisch nicht umsetzen kann?!
Vielleicht kommt es dabei auch etwas auf die Stilrichtung an, die man praktiziert: Zum Beispiel dürfte es möglich sein, Hip-Hop-Beats herzustellen und gerappte Songtexte zu schreiben, ohne dafür großartig mit Notenlesen, Harmonielehre und Skalen-Strukturen vertraut zu sein. (Wobei selbst da deren Kenntnis kein Nachteil wäre.)
In anderen musikalischen Bereichen – nämlich allen, die melodisch-harmonisch geprägt sind, sei es Pop, Schlager oder Klassik – sieht das allerdings ganz anders aus. Zumindest gilt das auf jeden Fall für Produzenten.
Um es ehrlich zu sagen: Auch aktuelle Musik-Software trägt sicherlich einen nicht unerheblichen Anteil zu der Entwicklung bei, die Musiktheorie immer mehr zu vernachlässigen. Das beginnt schon in der Schule bei den ganz jungen Leuten, die heute völlig selbstverständlich mit Handys aufwachsen. Die Entwicklung von Apps für Smartphones und Tablets war in den letzten Jahren mehr als rasant und es ist geradezu unglaublich, was man (nicht nur musikalisch) damit inzwischen alles machen kann – und zwar ganz ohne jedweden theoretischen Hintergrund. Sicher sollte man das nicht zu sehr verteufeln, denn es eröffnet natürlich auch neue Möglichkeiten.
Andererseits ist das ernsthafte Interesse, Dingen tiefer auf den Grund zu gehen und sich einmal eingehender mit etwas zu beschäftigen, im Fall von Musik vielleicht über Jahre konsequent und auch mit einiger Disziplin ein Instrument zu erlernen, allgemein rückläufig bis unterirdisch. (Auch an schulischen Musikangeboten selbst lässt sich das leider vielerorts zunehmend beobachten.)
Wer schon etwas länger mit dem Musikmachen beschäftigt ist, erinnert sich vielleicht noch an die 80er-Jahre: Was waren es damals für Diskussionen im Bereich der E-Orgeln und Keyboards, als die berühmt-berüchtigte „Begleitautomatik“ Einzug hielt! Natürlich gab es da unseriöse Werbeversprechen der Marke „in fünf Minuten klingen auch Sie wie ein Profi“, die den Argwohn aller „richtigen“ Musiker auf sich zogen. Manche sahen gar den Untergang des kulturellen Abendlandes heraufziehen und meinten, jetzt werde nur noch mit Ein-Finger-Begleitautomatik von irgendwelchen „Musikmaschinen“ musiziert, und man selbst müsse gar nichts mehr können.
Genauso, wie sich bis heute das Klischee hält, im Tonstudio müsse man gar nicht singen können, denn im Studio könne dank Autotune „jeder singen“. Ganz so war und ist es dann allerdings doch nicht. Die Diskussion setzte sich – wenn auch nicht ganz unberechtigt – in den neunziger Jahren fort, als die berüchtigten MIDI-Files ihren Siegeszug antraten und sich viele Keyboarder, speziell im „Alleinunterhalter“-Bereich, hinter ihren Instrumenten versteckten und zunehmend zu Playback-Musikern wurden.
Den vollständigen Workshop lest ihr in Recording Magazin 2/2020 – die Ausgabe könnt ihr gleich hier im Shop bestellen!
Text: Christoph Klüh