Geniale Erfinder sind dafür bekannt, meist allein oder mit einem kleinen Team von Helfern zu arbeiten. Eine Kooperation mit einem ähnlich begabten Menschen findet gewöhnlich nicht statt. Südlich von Berlin, bei der Flugzeugfirma Henschel auf dem Flugplatz Schönefeld, kam es jedoch ab 1940 zu dieser seltenen Kombination. Henschel war eine äußerst innovative Firma. In Schönefeld wurden beispielsweise eigene Forschungen zur Produktion von Flugzeugbauteilen durch große Pressen betrieben und es gab sogar eine Abteilung für Atomforschung. Es gelang, eine der damaligen Kapazitäten der Flugzeugkonstruktion in die Firma zu holen. Herbert Wagner (1900 bis 1982) hatte zuvor bei Rohrbach große Flugboote entworfen, war dann Professor an der jetzigen TU-Berlin und wechselte zum Flugzeugwerk Junkers. Dort konzipierte er ein sehr fortschrittliches Düsentriebwerk, ging aber letztlich zu Henschel. Er hatte die Idee, kleine Flugzeuge ohne Piloten als Waffe gegen Schiffe einzusetzen. Henschel bot ihm die Möglichkeit zur Forschung und es entstand der erste einsatzfähige Anti-Schiffs-Flugkörper der Welt. Mit einem Raketenantrieb konnte die Henschel Hs 293 von einem Flugzeug mehrere Kilometer von einem Schiff entfernt abgeworfen und per Fernsteuerung zu diesem Ziel gelenkt werden. Wagner wollte seinen Flugkörper möglichst eigenstabil bauen, damit es keine Schwierigkeiten beim Steuern gab. Aber schon geringe Bauabweichungen würden die Flugkörper zum Absturz bringen. Da kam Wagner mit einem anderen Mitarbeiter bei Henschel ins Gespräch: Konrad Zuse.
Herbert Wagner (links) und Konrad Zuse
Konrad Zuse (1910 bis 1995) war ein junger Bauingenieur, der bei Henschel statische Berechnungen durchführte. Das war damals stupide, langwierige Rechenarbeit. Wie er selbst später behauptete, war er zu faul, ständig dieselben Rechenschritte immer wieder durchzuführen und dachte darüber nach, wie dies automatisch geschehen könne. So erfand Zuse den programmierbaren Rechner, heute Computer genannt. Die Programme wurden mit einem Locher in alte Filmstreifen „geschrieben“. Diese Rechenmaschine arbeitet so erfolgreich, dass er die Erlaubnis erhielt, eine eigene Firma für seine Erfindung zu gründen. Im Gespräch mit Herbert Wagner schlug Zuse vor, eine spezielle Rechenmaschine zur Lösung des Stabilitätsproblems bei dem Flugkörper einzusetzen. Die Hs 293 hatte Flügel mit einem symmetrischen Profil. So konnten die Flügel sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite angebaut werden. Zuse entwickelte eine Vorrichtung, welche mit zahlreichen Mess-Uhren das tatsächliche Profil eines Flügels abtastete und daraus Werte wie Luftwiderstand und Auftrieb berechnete. Dann suchte der Rechner einen zweiten Flügel mit übereinstimmenden Werten heraus. Mit diesem Flügelpaar flog die Henschel Hs 293 dann stabil.
Drei heute noch erhaltene Henschel Hs 293
Nach dem Krieg versuchte Zuse mit seiner eigenen Firma Computer zu verkaufen, konnte aber gegen die amerikanische Vormachtstellung nichts ausrichten. Schließlich arbeitete er für große Banken als Berater gegen digitalen Gelddiebstahl durch deren eigene Programmierer. Herbert Wagner ging in die USA und arbeitete dort an Raketen und beschloss sein Berufsleben wieder als Professor, diesmal an der TH Aachen.
Während des Krieges wurden in Deutschland zahlreiche wegweisende Erfindungen in der Luftfahrt und mit Raketen gemacht. Gegen Kriegsende sollten solche „Wunderwaffen“ eine Wende bringen. Eine detaillierte Übersicht mit vielen Abbildungen über diese teils phantastischen Projekte bringt die FliegerRevue X Nr. 90.