Die Mischung eines Musikstücks wird oft zu einem mythischen Vorgang verklärt, bei dem Eingeweihte okkultes Wissen in einem für Außenstehende undurchschaubarem Ritual zelebrieren. Dabei ist eine Mischung eigentlich banales Handwerk und kein Voodoo. Recording Magazin zeigt, wie es geht!
Die vielen Knöpfe, Fader und Meter an einem Mischpult schrecken Laien oftmals ab. Foto: comprophoto14/Shutterstock.com
Dass die Musikmischung für viele den Anschein eines Voodoo-Rituals hat, liegt zum einen an der Natur der Musik. Musik ist in der Lage, uns emotional zu bewegen. Da kann es einem schon wie Magie vorkommen, wenn ein Toningenieur innerhalb einiger Stunden aus einem dumpfen, verwaschenen Klangbrei eine Nummer destilliert, die die Füße zum Wackeln bringt oder uns zu Tränen rührt.
Ein weiterer Faktor sind die vielen Knöpfe, Fader und Meter und für Laien mysteriöse Geräte wie etwa ein Kompressor. Ich kann mich noch genau an die Mischung des ersten Achtspur-Banddemos erinnern. Unser Mischer hatte extra einen sündhaft teuren Kompressor ausgeliehen und schwärmte vom warmen Sound und dem knackigen Attack – ich habe damals überhaupt keinen Unterschied gehört. Nicht, weil es den nicht gegeben hätte, sondern, weil ich nicht wusste, auf was ich achten sollte.
Und Toningenieure pflegen den Mythos auch gerne. Gerade wenn Kunden bei einer Mischung anwesend sind, kann man beobachten, dass so mancher Kollege einen Millimeter hier und einen Millimeter da dreht und, obwohl eigentlich kaum ein Unterschied zu hören ist, anschließend proklamiert, dass es um 300 Hertz jetzt transparent klingt.
Eine gute Mischung
Eine gute Musikmischung ist keineswegs Hexerei, sondern zu 60 Prozent solides Handwerk. Die übrigen 40 Prozent setzen sich aus Erfahrung, Fleiß und Talent zusammen und vielleicht gerade mal fünf Prozent machen spezielle Geräte, Mischpulte und Arbeitstechniken aus.
Doch was zeichnet eigentlich eine gute Mischung aus? Für die einen ist der technische Aspekt am wichtigsten. Alle am Arrangement beteiligten Instrumente sollen zu jedem Zeitpunkt mittels Einsatz von Dynamics gut hörbar sein und mit Hilfe von chirurgischer EQ-Bearbeitung brillant und frei von Resonanzen erklingen.
Für andere hingegen steht der emotionale Aspekt der Musik im Vordergrund. Die Mischung soll vor allem homogen klingen und die emotionale Qualität des Stücks herausarbeiten. Wenn hier und da mal ein Instrument im Pegel absäuft oder die Toms ein wenig mumpfeln, egal. Hauptsache, die Nummer knallt.
Ein schönes Beispiel ist der „Song 2“ von Blur, der zwar wie eine übersteuerte Proberaumaufnahme klingt, an Aggressivität und Energie aber kaum zu übertreffen ist. Die Art, wie gemischt wird, welche Instrumente im Vordergrund stehen, wie aufdringlich oder wie zurückhaltend eine Mischung klingen soll, ist zu großen Teilen von der jeweiligen Musikrichtung und der Erwartungshaltung der Konsumenten abhängig.
Niemand käme auf die Idee, die Bassdrum bei einem Jazz-Quartett in das Zentrum der Mischung zu stellen, bei Dance-Musik ist das selbstverständlich. Die Mischung eines klassischen Orchesters soll so natürlich wie möglich klingen, „Verbesserungen“ wie etwa Modulationseffekte, um die Streicher breiter zu machen, sind zu Recht verpönt.
Bevor ihr euch also an die Regler setzt, nehmt euch ein paar Minuten Zeit, um euch darüber klar zu werden, welcher Musikrichtung das Stück, das ihr mischen möchtet, zuzuordnen ist und welche für das Genre typischen Erwartungen erfüllt werden sollen.
Arbeitsweisen
Die eine immer gültige und perfekte Art, ein Musikstück zu mischen, gibt es nicht. Je nach Musikstil und Toningenieur unterscheiden sich die Abläufe mitunter erheblich. Im Rock-Bereich beginnen viele Mixing-Ingenieure gerne mit der Bearbeitung des Schlagzeugs, es folgen Bass, Gitarre und abschließend die Vocals. Im Vocal-Jazz beginnt man auch mal gerne mit der Stimme, da sie das zentrale Element der Mischung sein soll und alle anderen Elemente sich ihr unterzuordnen haben.
Dann habt ihr vielleicht auch schon einmal von der amerikanischen Strategie zu mischen gehört, bei der die einzelnen Spuren bereits bei der Aufnahme mit Halleffekt, EQ-Bearbeitung und Kompression aufgezeichnet werden. Dies bietet den Vorteil, dass man sich bei der Mischung ganz auf das Abstimmen der einzelnen Pegel und einige weitere EQ- und Dynamikbearbeitungen konzentrieren kann. Der Nachteil: Hall, EQ und Dynamic-Einstellungen lassen sich nur noch in begrenztem Maße verändern.
Dem gegenüber steht die in Deutschland und Europa generell populäre „Fix it in the Mix“-Philosophie, bei der fast alle EQ, Dynamics und übrigen Effekteinstellungen auf die Mischung verschoben werden. Der Vorteil: Ihr habt bei der Mischung fast alle Optionen offen und könnt die Mischung nahezu frei gestalten. Der Nachteil: Ihr habt jede Menge technische Arbeit zu erledigen und könnt euch nicht mehr so gut auf die eigentliche Aufgabe, nämlich das Finden des richtigen Mischungsverhältnisses, konzentrieren.
Klangliche Vorentscheidungen, die eine Orientierung bieten, wo es denn mit dem Mix hingehen soll, gibt es nicht – ihr müsst den Klang während der Mischung herausarbeiten. Gerade Anfänger sind mit den vielfältigen Möglichkeiten, die sich bei „Fix it in the Mix“ bieten, überfordert und verlieren sich in Details.
Arrangement oder Mischung?
Die enormen Fähigkeiten moderner DAWs und das ausufernde Angebot an Plug-ins sind zum einen ein echter Segen, zum anderen verführen sie aber zu einer unstrukturierten Arbeitsweise. Dinge, die eigentlich im Arrangement hätten erledigt werden sollen, werden auf die Mischung verschoben und umgekehrt. Anstatt den scheppernden Schellenreif im Arrangement ganz einfach gegen ein passendes Sample auszutauschen, wird in der Mischung mit viel Plug-in-Aufwand versucht, den Klang irgendwie hinzubiegen.
Der Glaube, dass man den Klang mit einem edlen Multiband-Dynamikwerkzeug schon noch zum Klingen bringt, kostet meist viel Zeit und bringt am Ende doch nicht das gewünschte Ergebnis. Dann lieber zurück ins Arrangement und das Problem bei der Entstehung beseitigen.
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Text: Björn Eichelbaum