Test: Sequential Prophet-5

PPVMEDIEN GmbH
2021-07-23 15:44:00 / Musiker News & Infos
Test: Sequential Prophet-5 -

Wenn man heutzutage Kopien von Synthesizer-Klassikern kauft, ist meistens nicht garantiert, dass deren ursprüngliche Väter in solche
Projekte involviert sind. Der Sequential Prophet-5 wurde von Dave Smith, dem Erfinder selbst, neu aufgelegt.

So viel ist schon über Sequential geschrieben worden. Von Circuits-Zeiten bis hin zur aktuellen Firmengeschichte. Von Dave Smiths Vergangenheit, Werdegang, den Ups, den Downs, wieder hin zu den Ups und über all seine Erfindungen und Entwicklungen ebenfalls. Ganze Bücher voll. Und nun? Nun stehen wir wieder am Anfang. Irgendwie. Wenn irgendein Synthesizer aus dem Hause Sequential das Analog-Synthesizer-Universum erschüttert hat, dann waren es der Prophet-5 und der Prophet-10 in den Versionen Rev1, Rev2 oder Rev3. Allesamt mächtige Geräte mit … ja …mit Schwächen. 

Geschichtsträchtig 

Ich erinnere mich, dass auch Manuel Göttsching, Elektronik-Pionier und seines Zeichens Mastermind der Band Ashra, einen Prophet-10 besessen hat und gar nicht so glücklich damit wegen dessen Fehleranfälligkeit gewesen ist. Irgendwann hat er ihn verkauft. Nicht ohne vorher sein musikalisches Meisterwerk „E2E4“ damit eingespielt zu haben. Ja, die Synthesizer von Sequential Circuits haben durchaus ihren würdigen Anteil an der Musikgeschichte, bedenkt man die Zahl großer Pop-Hits und Film-Scores, wo deren Sounds teilweise ikonische Bedeutung erlangt haben. Irgendwann war das vorbei. So schien es jedenfalls.

Und nun, als ob die letzten 43 Jahre nicht passiert wären, steht er vor mir: Ein Prophet-5 Synthesizer von Sequential – und definitiv von Dave Smith persönlich konstruiert. Er sieht aus, als hätte er die ganze Zeit über irgendwo gut verpackt auf einem Dachboden gestanden. Aber dem ist nicht so. Er steht hier in der Version Rev4 und zeitgleich gibt es auch wieder den Prophet-10 (diesmal nicht zweimanualig) und die beiden Derivate P-5 und P-10 als portable Desktop-Varianten ohne Keyboard. Überall steckt die gleiche Technik drin. Dadurch können meine folgenden Betrachtungen problemlos auf die anderen Kollegen aus der Prophet-Abteilung übertragen werden. Schalten wir den Prophet-5 also einmal ein …

Die Legende lebt!

VCO – VCF – VCA. Kommen wir zu dem, was diesen Synthesizer ausmacht. Jede Stimme des Prophet-5 wird mit zwei Oszillatoren und einem Rauschgenerator erzeugt, die beliebig im Mixermodul gemischt werden können. Beide VCOs basieren auf dem CEM3340-Chip von Curtis. VCO A gibt Sägezahn und Rechteck aus. Wenn gewünscht, kann dies über entsprechende Shape-Taster simultan geschehen. Eine stufenlose Mischung beider Wellenformen ist nicht möglich.

Die Pulsweite der Rechteckwelle kann manuell über einen Pulse-Width-Regler eingestellt werden. VCO A kann zu VCO B synchronisiert (Hard-Sync) werden. Hierzu muss der entsprechende Sync-Taster gedrückt werden. Sehr schön: der Frequency-Regler durchläuft das Spektrum in Halbtönen, wodurch eine Stimmung per Gehör sehr schnell erfolgen kann. Der entsprechende Notenwert wird in der Anzeige für Group/Bank/PRGM ausgewiesen. Eine stufenlose Regelung der Frequenzen beider Oszillatoren ist mit dem Master-Tune-Regler möglich.

Eine dritte Welle

VCO B liefert dasselbe wie VCO A und noch ein wenig mehr. B verfügt zusätzlich mit Dreieck über eine dritte Wellenform. Alle drei Wellenformen sind ebenfalls simultan aktivierbar. Neben dem Frequency-Regler gibt es auch noch einen für das Fine-Tuning von VCO B, zum Beispiel um Schwebungen (leichte Verstimmungen) zwischen A und B einzustellen. Die Pulsweite der Rechteckwelle kann ebenfalls manuell eingestellt werden. Über den Lo-Freq-Taster kann VCO B zu einem zweiten LFO umgewandelt werden. Will man dessen Frequenz nicht über das Keyboard kontrollieren, kann man die Keyboard-Steuerspannung mittels des Keyboard-Tasters ausschalten. Der Oszillator kann dann manuell über neun Oktaven durchgestimmt werden.

Wie bereits erwähnt, können die Level von VCO A, VCO B und (White) Noise im Mixer eingestellt werden. Übrigens hört man deutlich eine leichte Verzerrung der Oszillatorsignale, wenn die Mixer auf Stufe zehn eingestellt werden. Dieser „Overload“-Effekt verleiht dem Signal eine zusätzliche klangliche Note. Von zart bis hart ist bereits hier schon einiges möglich.

Hey, it’s analog!

Da schlug der Autor dieser Zeilen doch erschrocken die Hände über dem Kopf zusammen, als er den Prophet-5 zum ersten Mal einschaltete. Klang dieser Synthesizer doch so gar nicht nach einer Quelle für amtliche Sounds. Die Oszillatoren drifteten, wohin sie wollten, und das Stimmen der Oszillatoren führte zu nichts. Natürlich nicht! Dieser Synthesizer muss erst verstehen, in welcher Umgebung er sich befindet (Wüste, Arktis oder Studio). Will sagen, die Umgebungstemperatur hat Einfluss darauf, wie sich die Oszillatoren verhalten. Deshalb muss dieser Synthesizer nach dem ersten Anschalten kalibriert werden. Diese Kalibrierung erfolgt durch Druck auf den Tune-Schalter. Nach dem Durchlauf einer Tuning-Prozedur fällt der Prophet wieder in seinen Normalzustand und ist sofort spielbereit. Also keine Panik. Erst mal stimmen.

Prophet-5-Erfinder und Sequential-Gründer Dave Smith.

So viele Filter

Kenner der Prophet-Materie wissen natürlich, dass in den Synthesizern der Serien Rev 1/2 von Dave Rossum designte 2040-Low-Pass-Filter verbaut worden sind, während die Rev3-Modelle von Doug Curtis designte CEM-3320-Low-Pass-Filter innehatten. Natürlich hatten die Filter somit ihren eigenen, individuellen Klang. Was also tun, um nicht erneut einen Grabenkrieg heraufzubeschwören? Natürlich beide Filter verbauen. Und genau das hat Dave Smith in der Rev4-Version des Prophet gemacht und mit dem passenden REV-Taster kann man zwischen den Filtern REV 1/2 (nun mit der aktuellen Filter-Variante 2140) und REV 3 (mit CEM 3320 ) umschalten.

Dies hat übrigens auch einen Einfluss auf das Verhalten der Filter-Envelope (Shape), die dem Verhalten der Original-Instrumente ebenfalls angepasst wurde. Unterschiede hört man eher, wenn die Resonanz etwas angehoben wird. Man merkt aber, dass die Filter jeweils ihren eigenen Charakter haben. Beide Filter sind resonanzfähig und haben eine Flankensteilheit von 24 dB/Oct. Die Cutoff-Frequenz lässt sich durch Keyboard Follow (Half/Full), die ADSR-
Hüllkurve (über Env Amount) und natürlich auch manuell beeinflussen. Weiters kann man sie aber auch durch die verschiedenen Modulationsquellen steuern. Man findet zum Beispiel in der Master-Sektion Taster für die Zuweisung der Velocity und des Aftertouch auf den Amp und die Filter. Entweder ist die Funktion ausgeschaltet oder nur auf den Filter oder nur auf den Amp oder auf beide Empfänger gleichzeitig. Wie man will. Einfach, aber effizient. 

Amp Envelope

Die Amp Envelope ist so unspektakulär, wie man es von ihr erwarten mag. Ein vierstufiger ADSR macht, was er machen soll. Die Polarität kann man nicht umschalten. Loopen oder verzögert starten kann man ihn auch nicht. Das war halt damals so. Einzig das Verhalten der Release-Stufe beider Hüllkurven lässt sich über den Release/Hold-Taster beeinflussen. Nehmen wir an, wir haben einen Sound mit maximaler Release-Zeit eingestellt, reicht ein Druck auf diesen Taster und die Release-Zeit wird auf null gestellt.

So ist während des Spiels eine schnelle Umwandlung zwischen einem Pad-artigen Sound in einen mehr Solo-artigen Sound möglich. Ich finde das ziemlich interessant, weil man damit schnell zwischen mehreren Klangwelten hin- und herschalten kann. Üblicherweise wird ja heute der Sustain-Parameter zum Halten eines Klanges verwendet und über ein Hold-Pedal gesteuert. Lässt man das Pedal los, fällt der Sound in die eingestellte Release-Phase. Das ist letztlich ein anderes klangliches Verhalten. Will man das, kann man die entsprechenden Parameter in den Global Settings umschalten. Aus dem Release-Taster wird dann ein Hold-Schalter. Mir gefällt aber die ursprünglich eingestellte Funktion besser.

Den kompletten Testbericht des Sequential Prophet-5 lest ihr in KEYS 8/2021!

Text: Bernd Kistenmacher

Fotos: Sequential


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