Ovation - „Be different since 1966“

PPVMEDIEN GmbH
2021-06-11 14:38:00 / Musiker News & Infos
Ovation - „Be different since 1966“ - Ovation - „Be different since 1966“

Im September hat GEWA music aus Adorf die amerikanische Kultgitarrenmarke Ovation übernommen. Über Historie und die Pläne für die Zukunft von Ovation sprachen wir mit Marcel Messner, Thomas Neuhierl und Uwe Prüßner von GEWA music.

Thomas Neuhierl, Uwe Prßner und Marcel Messner von GEWA music

Thomas Neuhierl, Uwe Prüßner und Marcel Messner von GEWA music


GEWA music hat die Marke Ovation im vergangenen Jahr übernommen. Bevor wir darauf eingehen wollen, welche Zukunftspläne Sie mit der Marke haben, lassen Sie uns zurückblicken: Was macht Ovation zu so einer besonderen Marke?

Uwe Prüßner: Angefangen hat alles mit Charles Huron Kaman, der kein Gitarrenbauer, sondern studierter Flugzeugingenieur war. 1945 gründete er seine eigene Firma, quasi in der Garage, die sich zu einem Hubschrauber-Imperium entwickelte. Zum Gitarren-Produzenten wurde er mehr oder weniger durch Zufall. Er hatte schon immer Gitarre gespielt und eines Tages entdeckte er einen Bodenriss an seiner Martin. Er fuhr zu Martin Guitars ins 1,5 Autostunden entfernte Nazareth, Pennsylvania, und während er vor Ort seine Gitarre reparieren ließ, bekam er eine Firmenführung angeboten, die er dankend annahm. Er war begeistert und wollte die Firma sogleich kaufen, was dankend abgelehnt wurde. Die Leidenschaft für Gitarren war bei ihm aber neu geweckt, und so beschloss er Anfang der Sechzigerjahre, selbst Gitarren zu bauen. Die Frage, die sich dann stellte, war, was an Material in seiner Fabrik zur Verfügung stand – da ein Helikopterhersteller ja kein Gitarrenbauer ist, der Tonhölzer vorrätig hat. Die Antwort fand er in seinen Rotorblättern, die zu dieser Zeit in Sandwichbauweise mit einem Fichtenholz-Kern und einer Kunststoffkomposit-Ummantelung aus Fiberglas gefertigt wurden. Das daraus entwickelte Material bekam den Handelsnamen „Lyrachord“. Neben diesem Material zeichnen sich die Ovation-Gitarren durch den einzigartigen Roundback aus, der auf das Design der Laute zurückgeht. Sie ist aus einer semiparabolischen Schale geformt, um den Klang zum Zuhörer zu reflektieren. Dadurch kommt es weniger zu stehenden Wellen und Verwirbelungen. Der Aufwand ist höher, das Ergebnis für den Zuhörer aber besser. Das Ovation-Roundback-Prinzip hat obendrein den Vorteil, dass es durch das Lyrachord-Material deutlich weniger anfällig für Verformungen und Risse ist, außerdem ist der gewölbte Korpus klanglich deutlich resonanter.

Eine weitere Besonderheit sind die Piezo-Pickups. Mit dem Ingenieur-Knowhow aus dem Helikopterbau war Ovation der erste Hersteller, der ein physikalisch-analytisches Konzept auf die Konstruktion einer akustischen Gitarre übertragen hat. Die Verwendung von Piezo-Kristallen hat dann zur Erfindung der ersten elektroakustischen Gitarre geführt. Man wählte den Steg als Punkt, an dem am meisten Schwingungen stattfinden. Diese Stegposition ist der optimale Platz, um dort piezoelektrische Elemente zu platzieren. Der erste Ovation-Pickup wurde 1970 vorgestellt – und war der Durchbruch, nachdem sich die Musiker gesehnt hatten. Selbst der Steg wurde eigens entwickelt, die Elemente also nicht in einen bereits existierenden Steg eingebaut. So ist der Ovation-Tonabnehmer schwingungs- und druckempfindlich – und funktioniert mit jeder Saitenstärke, auch mit E-Gitarrensaiten.

Einige Ovation-Gitarren zeichnen sich durch sogenannte „Multi-Soundholes“ aus. Hier hat Ovation die Schallaustrittsöffnungen an den Rand verlegt, um das zentrale Schwingungsfeld in der Mitte zu erhalten. Dies zog auch eine neue Deckenkonstruktion nach sich. Je filigraner, desto leichter spricht die Decke an, wird aber auch instabiler. Um das zu kompensieren nutzt die Adamas-Decke z.B.ein gewobenes Kohlefasermaterial mit Birkenholz in der Mitte, wobei sie nur einen Millimeter dick ist: die Geburtsstunde der ersten Karbonfaserdecke. Diese Konstruktionsweise ist bis heute entsprechend hochpreisig, trägt aber auch zum eigenen Look der Ovations bei. Mittlerweile gibt es in allen Preisklassen Ovation-Gitarren, sowohl mit regulärem Schallloch als auch mit Multi-Soundholes.

Ovation hatte in der Vergangenheit schon andere namhafte Eigentümer. Was wollen Sie mit der Marke anders machen?

Thomas Neuhierl: Ovation und Adamas waren zu Beginn sehr innovative Marken, mit weitgreifenden Erfindungen wie dem Piezo-Pick-Up und dem Roundback. Das war die Hoch-Zeit der Innovation. Fender konnte im Salesbereich mit einem ganz anderen Background arbeiten und einen weltweiten Vertrieb für die Marke aufbauen. Das hat man bei DW fortgeführt. Insgesamt ist aber vor allem viel verwaltet worden: bestehende Serien, bestehende Pre-Amps. Es gab meist nur das ein oder andere kleine Update. Wir wollen den innovativen Gedanken der Marke jetzt wieder aufgreifen.

Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen, die Marke zu übernehmen?

Marcel Messner: Bevor wir die Marke letztes Jahr im September übernommen haben, wurden wir frühzeitig von DW informiert und gefragt, ob wir Interesse daran hätten. Wir haben uns sehr schnell und intensiv damit auseinandergesetzt, weil wir Ovation als eine Marke gesehen haben, die in unseren Vertriebsländern, besonders in Europa, sehr gut ankommt. Als Hersteller haben wir bereits eingehende Erfahrung mit Digital Drums, Digitalpianos und, basierend auf der Tradition von GEWA, im Streichinstrumentenbereich. Wir sind im Instrumentenbau zuhause. Zudem haben wir durch unsere eigenen Werke eine sehr gute Verbindung nach Asien.

Wir haben uns zunächst eine grundlegende Strategie überlegt: Was wollen wir? Was ist realisierbar? Dabei haben wir gute Konzepte entwickelt, zum einen für Europa, zum anderen für den asiatischen Markt. Uns war aber auch die amerikanische Tradition der Marke sehr wichtig. Unser Anspruch ist es, in den USA eine ernstzunehmende und seriöse Gitarrenproduktion zu etablieren, die deutlich mehr als nur eine Spielwiese ist. Unsere Arbeit muss der Vergangenheit der Marke gerecht werden, aber auch mit Innovation in die Zukunft gehen.

Nachdem diese Ansätze umsetzbar feststanden, war für uns klar: Wir machen das. Es ergibt absolut Sinn. Durch diese Vorarbeit standen wir im September nicht vor vollendeten Tatsachen und mussten uns schnell irgendetwas überlegen. Der Plan lag schon in der Schublade und wir konnten direkt loslegen. Während DW den Vertrieb in den Vereinigten Staaten noch bis Anfang Februar weitergeführt hat, konnten wir die Manpower von GEWA USA so organisieren, dass die Übernahme völlig problemlos vonstattenging.

Welche Pläne haben Sie mit der Marke?

Thomas Neuhierl: Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass wir mit der Marke wieder mehr auf Innovationen setzen wollen. Wir treten aus dem Schatten des reinen Verwaltens heraus und werden neue Sachen ausprobieren. Es sind auch schon einige Dinge in der Pipeline, aber leider geht es aufgrund der Pandemie noch nicht ganz so schnell voran, wie erhofft. Da ist Corona leider noch ein Hemmschuh. Wir wollen uns breit aufstellen, um nicht nur im High-End-Bereich, sondern auch in den unteren Preisklassen Standards zu setzen. Im Hintergrund läuft in den USA die Adamas-Produktion zuverlässig weiter. Zwar noch auf kleiner Flamme, aber das ist völlig in Ordnung so. Wir sprechen hier von handgemachten Gitarren. Da ist der Spirit nicht anders als bei uns hier im Vogtland, wo drei Generationen einer Familie zusammensitzen und Gitarren bauen.

Wie groß ist die US-Produktion derzeit?

Marcel Messner: Zurzeit bauen zweieinhalb Personen in New Hartford Gitarren. Die Kapazität liegt bei etwas über 10 Instrumenten im Monat, was sehr gut ist. Wir sind jetzt schon mit der Produktion bis Ende August ausverkauft. Die Nachfrage ist da. Es funktioniert. Das spricht auch für die Verbindungen die GEWA zu internationalen Vertrieben und in den eigenen Märkten hat. Ovation ist eine Marke, die in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren, wieder deutlich mehr Beachtung gefunden hat. Dass man das noch nicht mit der Marktpräsenz der 80er Jahre vergleichen kann, ist uns natürlich klar. Aber es ist unser erklärtes Ziel, Ovation wieder in den Fokus ihrer verdienten Rolle als „die andere Gitarre“ zu rücken. Dementsprechend haben wir auch einen neuen Slogan definiert: „Be different since 1966“. Außerdem bekommen die Modelle wieder Serien-Namen, die auf den Ursprung von Ovation zurückgehen. Hier wurde über die Jahre leider etwas unstrukturiert gehandelt. Wir haben zusammen mit dem Kollegen Rick Hall in den USA, der, ähnlich wie Uwe, ein wandelndes Ovation-Geschichtsbuch ist, überlegt, wie wir die Marke Ovation mit Adamas und Applause wieder so sinnvoll organisieren, dass der Kunde weiß, was ihn erwartet. Hier haben wir uns jetzt für die Zukunft gut aufgestellt, sodass wir den Kunden ganz einfach erklären können, was Ovation, Applause und Adamas ist, und welche Sub-Serien es da gibt. Übrigens Thomas, so richtig lässt sich die kleine, klassische Gitarrenbauwerkstatt mit dem Werk in New Hartford aber nicht vergleichen, oder?

Thomas Neuhierl: Naja, man kann sich die Arbeit in New Hartford schon ähnlich vorstellen, wie in dem kleinen Familienbetrieb in Deutschland bzw. im Vogtland, der seit Generationen die Gitarren mit Inbrunst und Handwerkskunst herstellt. Nur etwas anders aufgestellt – nämlich technisch auf allerhöchstem Niveau. Es sind nur zweieinhalb Mitarbeiter, aber sie arbeiten mit ganz anderen Maschinen. Die Sättel der Adamas-Gitarren werden beispielsweise aufs Hundertstel genau auf jede Gitarre einzeln angepasst und gefräst. Ich wüsste nicht, welche andere Firma das macht. Das können wir einfach, weil wir die technischen Gegebenheiten dafür geschaffen haben. So eine Gitarre kostet am Ende 4.000 bis 6.000 Euro, da möchte ich nicht mit Sachen von der Stange arbeiten. Die Instrumente sind handgemacht, aber eben unter Zuhilfenahme modernster Technik. Auf diese hochwertige Arbeit wollen wir wieder aufbauen. Zur besseren Erkennbarkeit dieser Qualität haben wir uns auch dazu entschieden, die „Made in USA“-Instrumente durchgehend mit Adamas zu bezeichnen und frühere Seriennamen wie beispielsweise „LX“ nicht mehr zu verwenden.

Warum halten Sie als europäisches Unternehmen am Standort USA fest, abgesehen von Gründen der Tradition?

Thomas Neuhierl: Wegen des Knowhows. Wir haben über 2.500 technische Zeichnungen. Daher kann man die Produktion auch mit sehr wenigen Leuten auf einem ganz hohen Niveau fahren. Es ist alles vollständig durchstrukturiert. Wo andere mit einer Kopierfräse arbeiten, die nach der 500. Gitarre nicht mehr zu benutzen ist und bei der jeder Boden anders aussieht als das Original, läuft es hier eben schon immer CNC-gesteuert, selbst bei den kleinsten Bauteilen. Diesen Standard wollen wir auch für neue Modelle nutzen.

Wo werden die neuen Modelle entwickelt? In den USA, in Adorf?

Thomas Neuhierl: Es klingt vielleicht etwas hochtrabend, aber das läuft tatsächlich international ab. Wir haben hier mit Uwe jemanden, der über ein unglaubliches Fachwissen verfügt. Wir haben hier im Haus Gitarrenbauer. Wir haben hier in der Nähe junge Gitarrenbauer, die etwas in der Welt bewegen, eigene Ideen entwickeln und einbringen möchten. Das sind junge Handwerker, die vor Ort im Vogtland ausgebildet wurden und ihren Meister gemacht haben, die national und europaweit schon von sich reden gemacht haben. Es wäre fahrlässig, wenn wir diese Verbindungen nicht in unser Konzept einbeziehen würden.

Das gleiche haben wir in den USA. Unsere zwei Mitarbeiter vor Ort machen das auch nicht erst seit vorgestern. Sie sind seit über 20 Jahren und länger in der Firma. Sie alle Handgriffe genau, auf die es bei einer Adamas oder einer Ovation ankommt. Bei der Entwicklung beziehen wir außerdem Partner und das eigene Werk in China mit ein, wo wir im High-Tech-Bereich sehr gut aufgestellt sind. Die neuen Entwicklungen versuchen wir auch in den unteren Preisklassen zur Anwendung zu bringen. Wir stehen noch am Anfang. Aber es ist unser Plan, global und mit verschiedenen Ansätzen, den Weg von Ovation wieder in diese innovative Richtung zu lenken.

Wie viel Spielraum haben Sie bei neuen Entwicklungen, ohne den Kern von Ovation aus den Augen zu verlieren?

Marcel Messner: Eins ist bei Ovation klar: Wir sind an den Roundback gebunden. Das ist die Korpusform, für die Ovation steht. Aber die Korpusse bestehen aus unterschiedlichen Materialien, das heißt hier haben wir Spielraum. Wir sind flexibel, was die Produktionsstandorte angeht. Wir sind flexibel, was die Mitglieder im Entwicklungsteam betrifft, sei es das US-Team, das Team in Europa oder Fachleute in Asien, die uns Input liefern.

Ist so ein internationaler Entwicklungsprozess nicht äußerst schwierig?

Marcel Messner: Da konnten wir in der Corona-Situation vieles lernen. In der Vergangenheit ist man überall hingereist oder hat Mails geschrieben. Jetzt ist es so, dass man sich über Zoom spontan austauscht. Mit den Amerikanern haben wir mindestens alle zwei Wochen ein Meeting, diskutieren und besprechen Dinge. Genauso machen wir es mit den Kollegen in Asien.

Was bedeutet der Kauf der Marke Ovation für die Weiterentwicklung der Firma GEWA?

Marcel Messner: Gerade in letzten Jahren hat die GEWA eine wesentliche Transformation durchlaufen: erst Hersteller, dann mehr Vertrieb und jetzt wieder Hersteller mit Vertriebszweig. Durch die Übernahme von Ovation haben wir einen weiteren ganz großen Schritt nach vorne gemacht.

Thomas Neuhierl: Wir haben uns mit der GEWA durch die E-Pianos und die E-Drums in eine Richtung entwickelt, die uns auch bei anderen Instrumentengruppen Türen öffnet. Bei der Entwicklung der E-Pianos und der E-Drums haben wir ganz neue Verbindungen zur High-Tech- und Elektronik-Industrie aufgebaut.

Marcel Messner: Es entstehen Synergie-Effekte.

Mehr zu den Plänen von GEWA music mit der Kultmarke Ovation lesen sie in der Juni-Ausgabe von das musikinstrument.


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