Modulare Effekte

PPVMEDIEN GmbH
2018-11-08 16:48:00 / Musiker News & Infos

Modulare Effekte

 
Effektprozessoren spielen bei der Klangformung live, im Studio und in der Elektronik eine wichtige Rolle. Auch im Modularsystem sind sie immer häufiger anzutreffen. Aber lohnt es sich, eine weitere Baustelle neben echten und virtuellen Racks zu eröffnen? Wir werfen einen näheren Blick auf die Besonderheiten dieser Gerätegattung.
 
Im andauernden Modularfieber werden nicht nur typische Bauteile eines Synthesizers oder die zugehörigen Steuereinheiten neu entwickelt oder wiederaufgelegt. Auch der große Bereich der Effekte, digital oder analog, findet sich längst im Eurorack-Format wieder. In aller Regel gehören in diesem Segment Möglichkeiten der Steuerung über CV, Gate und Trigger fest ins Konzept. Und genau hier schließt sich der Kreis: Durch die mögliche Interaktion mit anderen Elementen des Systems ergibt sich ein echter Mehrwert, der die Effekte zu einem Teil des gesamten Klanggebildes werden lässt. So ist es auch erklärbar, dass die Module sich oftmals von eventuellen Produkten aus dem Live- und Studiorack unterscheiden. Kompromisslose High-End-Technik für den Mixdown findet man im Modularbereich eher selten, ebenso wie die typischen speicherbaren Multieffektprozessoren der Neunziger. Vielmehr sind Spezialisten, Klangmacher und Lösungen gefragt, die kreatives Arbeiten ermöglichen. Und wieder einmal war es Dieter Doepfer, der mit seinem CV-steuerbaren A-187-1 den Anfang machte …
 

Was ist eigentlich ein Effekt?

Tatsächlich lässt sich diese essentielle Frage für elektronische Musikinstrumente kaum schlüssig beantworten. Man könnte sagen, dass ein Effekt irgendwo in der Signalkette ein Quellsignal beabsichtigt klanglich manipuliert. Das Gebiet ist damit weit gefächert und reicht vom Ausspielen eines Klanges in einen realen, mikrofonierten Raum über den Röhrenverstärker des Gitarristen bis hin zum präparierten Klavier. Im Studio gehören Equalizer und Werkzeuge zur Dynamikbearbeitung ebenso fest ins Programm wie künstlicher Nachhall und Echos. Und kaum ein E-Gitarrist kommt ohne Pedale aus. Ein Synthesizer aber hat die grundsätzliche Aufgabe, Klänge umfassend formen zu können, etwa durch Filter oder Hüllkurven. Eine klare Grenze zwischen Klangerzeugung und dedizierter Effektbarbeitung lässt sich da kaum finden. Und das gilt erst recht für ein Modularsystem, bei dem der Signalweg nicht festgelegt, sondern frei zu gestalten ist. Je nach Verknüpfung kann beispielsweise ein Filter den Klang mehrerer oder auch nur eines einzelnen Oszillators formen, in der Feedback-Schleife eines Delays für Färbung sorgen oder aber auch hinter dem Patch platziert werden. Gleiches gilt auch für jede Art von Signalprozessor, ob EQ, Kompressor, Verzerrer, Chorus, Pitch Shifter oder Delay. In einem Modularsystem können solche Geräte eben unterschiedlichste Funktionen übernehmen …
 

Verzögerungen zur Klangformung

Um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen, soll sich dieser Text vorrangig mit verzögerungsbasierten Effekten und ihren Möglichkeiten beschäftigen. Dabei stellt diese umfassende Effektgruppe ein ergiebiges Potenzial für Klangveränderungen bereit, erst recht in einem Modularsystem. Von klassischen Echowiederholungen, die den Sound um zusätzliche Räumlichkeit oder rhythmische Komponenten ergänzen, über unterschiedlichste Modulationseffekte, resonierende teils spielbare Klänge, opulente Klangkaskaden, Looper bis hin zu tonal spielbaren Klängen oder gar Nachhall reicht das Angebot.
Stets geht es darum, das Nutzsignal in irgendeiner Form zu verzögern und anschließend, in purer oder nachbearbeiteter Form, dem Endergebnis wieder zuzuführen. So entstehen abhängig von der Verzögerungszeit Kammerfiltereffekte, Dopplungen oder Echos sowie in komplexen Anordnungen Nachhall. Fügt man eine Rückkopplung hinzu, die den Ausgang anteilig zurück in den Eingang speist, entstehen längere Ergebnisse wie abklingende Echos oder metallische Resonanzen. Durch eine Modulation der Verzögerungszeit gelangt man wiederum zu Chorus- und Flanger-Effekten oder aber zu extremen Berg- und Talfahrten, denn Veränderungen der Verzögerungszeit gehen in aller Regel auch mit einer Tonhöhenveränderung einher. Das Basisbesteck ist also vergleichsweise klein, die resultierenden Möglichkeiten hingegen immens.
 

Richtig platziert

Prinzipiell lassen sich Effekte in einem Modularsystem auf drei Wegen integrieren:
 
a. Als expliziter Teil der Klangerzeugung, etwa in Form von Filtern, Wave-
Shapern, Bitcrushern, Verzerrern oder sogar als Tongeneratoren, etwa bei der Karplus-Strong-Synthese oder als Looper.
 
b. Als nachgeschalteter Teil eines Klangerzeugers, so wie man das von konventionellen Synthesizern kennt, etwa als zuschaltbarer andickender Chorus in Roland Juno Juno-106. So lässt sich ein fertiger Synthesizersound nochmals aufwerten, etwa durch die Rhythmik getimter Echos. Dazu lässt sich ein monophoner Sound oftmals auch gleich auf eine Stereobühne bringen – entweder durch entsprechende Ausgänge im Effektmodul oder durch ein Verteilen von unbearbeitetem und Effektsignal auf linken und rechten Ausgang. Natürlich aber können Sie solche Effekte auch punktuell nutzen, etwa in Form genretypischer Einwürfe, die man beispielsweise als lange Filterechos aus dem Dub kennt.
 
c. Als übergeordneter Teil für eine Gruppe von Klangerzeugern wie ein Drumkit oder die Aufbereitung des Signals am Summenausgang. Zwar ist klassische Modularwand live nur selten zu sehen, dennoch sind kompakte Systeme längst regelmäßige Bühnengäste. Und da gibt es natürlich immer einen Summenausgang, der etwas Zuwendung vertragen kann. Dabei erschließt sich die Eurorack-Welt zunehmend auch Bereiche aus dem Studiobereich und Mischpultsektor. Neben symmetrischen Ausgängen finden man inzwischen Equalizer (Arrel Audio), Dynamikprozessoren (Cwejman) oder auch stereophone Mixer mit Auxwege (Doepfer und WMD), in denen Delays und Reverbs auf klassische Weise integriert werden können.
 
Wie erwähnt ist die Verschaltungsfreiheit im Modularsystem ein klarer Mehrwert und Abgrenzungskriterum gegenüber klassischen Effektgeräten. So können Sie einen Oszillator vor dessen Weg ins Filter verzerren. Sie können parallele Signalverzweigungen schaffen, mit Delay und Reverb versehen, um auch diese wieder vor dem Filter einzuspeisen oder diese Signale zur direkten Modulation einzusetzen, etwa für einen Oszillator. Vielleicht verwandeln sie auch ebendieses Signal über einen Hüllkurvenfolger in eine Steuerspannung und stellen so eine Interaktion für beliebige andere Parameter her. Umgekehrt sind die Effektparameter aber eben auch für den restlichen Teil der Klangerzeugung durch Steuerbuchsen erreichbar. LFOs, Hüllkurven und weitere Modulatoren sind ihre besten Freude. Takten Sie über die Clock ihres Step-Sequencers das Delay, lösen Sie über dessen Gatespur punktuell eine Reverse-Funktion aus. Nutzen Sie einen LFO, um das Filter eines Delays zu manipulieren, oder eine Zufallsspannung, um im Effexx RT1701 eine ganze Effekteinstellung zu überblenden. Mit Hüllkurven verleihen Sie Delay-Zeit und Feedback eine dynamische Kontur. Probieren Sie ruhig auch einmal, die Verzögerungszeit mit Audiogeschwindigkeit zu modulieren. Sie sehen, die Möglichkeiten sind fast grenzenlos und wachsen mit jedem neuen Modul.
 
Mehr über modulare Effekte lest ihr im Special in KEYS 11/2018 – die Ausgabe könnt ihr direkt hier im Shop bestellen.
 
Test: Ulf Kaiser
Foto: Eventide

Blog