Unser Alltag scheint immer mehr auf Funktionalität und Effizienz getrimmt. Umso erfreulicher, dass sich ein Trend zur handgemachten Gitarre vom regionalen Gitarrenbauer abzeichnet. So trifft man auch in der Bundeshauptstadt auf solch eine kleine, aber feine Gitarrenschmiede.
Welcher Gitarrist und welche Gitarristin träumt ab einem gewissen Zeitpunkt nicht davon, eine auf ihn oder sie zugeschnittene E-Gitarre zu besitzen, deren kompletter Entstehungsprozess mitverfolgt werden kann und bei der man vom Holz über die Hardware und die Tonabnehmer bis hin zur Farbe und der Mensur die Entscheidungshoheit besitzt. Dieser Traum scheint meist in weiter Ferne, da ein solches Vorhaben als erstes mit horrenden Endpreisen in Verbindung gebracht wird; hat man auf dem Bauplan erst einmal die ein oder andere Sonderoption mitangekreuzt. Bei Berlin Custom Guitars scheint dieser Traum gar nicht mehr in allzu großer Entfernung zu liegen. Denn trotz einer individuellen Maßanfertigung steigen die Kosten nicht in schwindelerregende Höhen, sodass es sich hier um ein – für ein heimische Verhältnisse – wirklich überschaubares Preisniveau handelt.
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Aus fünf verschiedenen Modellen kann man seine Grundform wählen. Auf Basis dieser Modelle wird die Gitarre in Absprache nach den eigenen Vorstellungen konzipiert und gebaut. Ganz im Zeitgeist einer ökologischen Wende, sind die Gitarren zu 90% aus europäischen Hölzern hergestellt und sparen so lange Transportwege im Vergleich zu tropischen Hölzern. Lediglich bei den Griffbrettern wollte man nicht ganz auf die alt bewährten Materialien wie Palisander und Ebenholz verzichten. Klanglich zwar eher wenig relevant, dennoch nicht zu unterschätzen: – die Farbe. Auch hier lassen Berlin Custom Guitars dem Kunden die Meinungshoheit, hier bleibt kein Wunsch offen.
Vintage mit PS
Unsere Testgitarre hört auf den Namen „Friedrich ll“ , ist in einem kräftigen Rot, gehalten und lässt den Blick auf die Maserung des Korpus aus Karpaten-Fichte zu. In Verbindung mit dem weißen Schlagbrett und der mattierten Hardware hat die Gitarre einen charmanten Vintage-Look und erinnert etwas an einen alten Sportwagen. Eine Hohkehle („german carve“) schließt die Decke ab, verleiht der Gitarre Tiefe und fungiert so als eine Art dreidimensionales Binding. Die Potis und der Umschalter wirken funktional und schlicht, was gut zum Erscheinungsbild des Instruments passt. Funktional bleibt es auch am Griffbrett, in welchem die allseits bekannten Dots eingelassen sind. Etwas markanter ist da der Reversed-Headstock, der Standard bei Berlin Custom Guitars zu sein scheint, wenn man von den Bildern der Homepage ausgeht. Die Hälse der Berliner werden alle mit einem Compound-Radius-Griffbrett-versehen. Bei diesem nimmt der Radius über die Länge des Griffbretts kontinuierlich zu, am Sattel stärker gerundet und flacher werdend in Richtung Korpus. Der Vorteil: Eine sehr niedrige Saitenlage über das ganze Griffbrett und ein erleichtertes Saiten-Bending.
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Text: Stephan Hildebrand
Bild: Philipp Opitz