High-Class in Ahorn
Gute Gitarrenbauer gibt es viele, wenn es um erstklassige geht, wird die Luft mitunter dünner. Einer, dem man dieses Attribut definitiv zuweisen kann, ist Gerhard Schwarz. Die Akribie und Detailverliebtheit mit denen der Oberpfälzer altehrwürdigen Designs neues Leben einhaucht, die sind schlicht sensationell. Ein Paradebeispiel dafür ist vorliegende Cardinal Dot, die als Vorbild klar die ES-335 aus dem Hause Gibson hat. Und warum nicht, die ist schließlich ein echter Klassiker. Schwarz nimmt sich dieser legendären Semi-Akustik mit dem Fokus auf kompromissloser Qualität und besten Zutaten an. Das beginnt beim Nitrozellulose-Finish, bei erstklassiger Hardware von Kiss My Strings, den luftigen Pickups von Ox4 und endet irgendwo bei perfekter Verarbeitung und tierischen Sounds.
Boden und Zargen der in klassischem Cherry Red gehaltenen Cardinal bestehen klassisch aus gesperrtem Ahorn, auch für die Decke kommt dieses Holz zur Anwendung. Die charakteristische Wölbung von Boden und Decke wird beim Verleimen der Holzschichten mittels einer Presse eingebracht. Ein Sustainblock verbindet Decke und Boden, was für Stabilität sorgt und die Feedback-Anfälligkeit deutlich minimiert. Der massive Ahorn-Blick trägt überdies die Tonabnehmer und die Brückenkonstruktion – alles sehr solide und ein Blick durch eines der beiden
F-Löcher zeigt auch im Inneren eine erstklassige Verarbeitung. Letztlich muss über diesen Aspekt eines Instruments im Falle der Cardinal kein weiteres Wort verloren werden, das ist absolute Meisterklasse!
Ein wenig mehr!
Ahorn für den Korpus ist eine traditionelle Auswahl, ebenso freut sich der geneigte Gitarrist über einen Hals aus Honduras-Mahagoni und ein Griffbrett aus – Obacht! – Dalbergia nigra, besser bekannt als Rio-Palisander. Dieses streng geschützte Holz darf nicht mehr gehandelt werden, es sei denn, es werden sämtliche Bestimmungen eingehalten. Daher liegt der Cardinal eine entsprechende Bescheinung der EU bei, die bestätigt, dass das verwendete Rio-Palisander im ausstellenden Mitgliedsstaat vor Inkrafftreten der Handelsregularien eworben oder in diesen eingeführt worden ist. Dokumentiert wird per Fotonachweis, dass es sich bei besagtem Instrument um unsere Cardinal handelt, dieses Dokument samt Fotos also sicher verwahren. Ohne diese Dokumentation kann die Cardinal nicht weiterverkauft werden. Kann aber auch wiederbeschafft werden, die Dokumentation, keine Sorge. In diesem Rio-Griffbrett sitzen 22 Jumbo-Bünder der Firma Wagner, penibelst verarbeitet, verrundet und poliert – ein perfekter Fretjob!
Bendings, Slides und auch weite Lagenwechsel sind komfortabel machbar, Gerhard hat hier das Optimum geschaffen. Dieser Blick für Präzision ist auch beim dezent gealterten Binding spürbar, das mit seiner creme-farbenen Tönung und dem vergilbten Touch den Hauch jahrelanger Club-Gigs versprüht. Passend dazu ist das hochglanz-Nitro-Finish künstlich gealtert, die Pickupkappen ebenfalls, ebenso der Toggle-Switch-Knopf. Knochen als Sattelmaterial ist der Tonentfaltung förderlich, die Gotoh-SD-90-Mechaniken erlauben präzises Stimmen.
Top Hardware
In Sachen Hardware hat sich Gerhard für die High-Class-Tune-o-matic von Kiss My Strings entschieden, was definitiv die richtige Entscheidung war. Der Verfasser hatte bereits das Flow-Trem und die Wraparound aus dem Hause KMS unter den Fingern. Kompromisloss gut, lautet dort die Devise. Klar, das kostet mitunter einen Taler mehr, die Cardinal hat aber nicht weniger verdient. Das dezent geagte, wahnsinnig leichte Alu-Stoptailpiece und die TOM tragen zur luftigen und transparenten Tonentfaltung einen gehörigen Teil bei, soviel ist sicher. Die elektrischen Komponenten stammen von CTS und Switchcraft, die Pickups von Ox4 aus England – und die sind der Hammer! Gerhard weiß, was geht, daher wird er in Zukunft vorrangig die Spulen von
Amber und Kloppmann verbauen. Der Grund ist schlicht und ergreifend, dass man hier einfach Wert auf heimische Fertigung legt – ein guter Gedanke!
Wie die Gitarre klingt und das Fazit könnt ihr in guitar 10/21 nachlesen:
https://ppvmedien.de/Guitar-10-2021-Printausgabe-oder-E-Paper
Text: Stephan Hildebrand
Bilder: Phil Zeppenfeld