Gary Numan über "Intruder"

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2021-06-23 17:07:00 / Musiker News & Infos
Gary Numan über "Intruder" -

Gary Numan hat sein neues Album veröffentlicht: „Intruder“. Im KEYS-Interview spricht der Elektronik-Pionier über seine musikalischen Unzulänglichkeiten, die revolutionäre Kraft des Synthesizers und die Gefahr, als Künstler zu viel aus der Hand zu geben.

Auch wenn elektronische Musik lange vor Gary Numans Durchbruch entstand, war dieser Brite vielleicht doch der erste richtige Popstar des neuen Genres. 1979 veröffentlichte Numan mit „Are Friends Electric?“ und „Cars“ gleich zwei Nummer-eins-Hits – und beeinflusste so eine ganze Generation von Musikern, die den Synthesizer als Instrument für sich entdeckten. Mit „Intruder“ legt Numan jetzt ein neues Studioalbum vor.

KEYS: Gary, du sagst, du seist ein schlechter Musiker. Glaubst du das tatsächlich?

Gary Numan: Ich bin wirklich kein guter Musiker, aber ich gebe mein Bestes. Das ist auch kein Versuch, Bescheidenheit vorzutäuschen. Mein Interesse an Musik rührt aus einer Begeisterung für Klänge und Geräusche her. Meine erste E-Gitarre bekam ich mit ungefähr zwölf Jahren. Ich versuchte zwar, zu lernen, sie zu spielen. Ein Cousin brachte mir auch ein paar Akkorde bei. Mir ging es aber vor allem darum herauszufinden, welche Geräusche ich mit diesem Instrument erzeugen konnte. Ich stellte die Gitarre oft einfach auf einen Ständer, schloss Effektpedale an, brachte die Saiten zum Schwingen und fingerte an den Effekten herum, um die seltsamen Klänge aufzunehmen, die ich so erzeugte. Bis heute kenne ich keine Tonleitern und auch nur wenige Akkorde. Wenn mich jemand bitten würde, am Keyboard einen gis-Moll-Akkord zu spielen, hätte ich keine Schimmer, wie ich das machen sollen.

KEYS: Vielleicht wärst du gar nicht so ein schlechter Musiker, wenn du dir mehr Mühe gegeben hättest?

Gary Numan: Ich weiß nicht. All meine Kinder nehmen Klavierunterricht, und sie spielen alle jetzt schon viel besser als ich. 

KEYS: Dann ist elektronische Musik mit all ihren Möglichkeiten der Klangmanipulation wohl tatsächlich das perfekte Genre für dich?

Gary Numan: Ja, und zugegeben: Ich war zum Teil wirklich zu faul. Mein grauenvolles Kurzzeitgedächtnis war auch keine Hilfe. 

KEYS: Was deiner Karriere als Popstar aber nicht im Weg stand.

Gary Numan: Das stimmt, aber als der Erfolg kam, entwickelte ich fast eine Paranoia – eine Angst davor, dass, wenn ich nun diese ganzen Dinge lernen würde, plötzlich das verlieren würde, was mich als Künstler ausmachte. Es war mir zwar sehr peinlich, dass ich so schlecht spielte und wenig über Musiktheorie wusste, aber ich besaß auch etwas, das anderen weniger leicht fiel. Ich stolperte sozusagen durch meine Kompositionen. Ich wusste nicht, was zusammenpasst und arbeitete deshalb nach der Trial-and-Error-Methode. Was dazu führte, dass ich manchmal zu unvorhersehbaren Ergebnissen kam – Sachen, an die ich nie gedacht hätte, wenn ich nach einem musikalischen Schema vorgegangen wäre.

KEYS: Wann kam dir das erste Mal der Gedanke, dass du als Musiker, der wenig von der Theorie wusste, einen Vorteil hattest?

Gary Numan: Als ich meine erste Band gründete, gehörte auch ein klassisch ausgebildeter Pianist zu unserer Gruppe – mit Hochschulabschluss und allem, was dazugehört. Ich glaube, es war der Song „Are Friends Electric?“ – unser erster Nummer-eins-Hit, über den er sagte: „Wenn du das für eine Abschlussprüfung an einer Musikhochschule geschrieben hättest, wärst du durchgefallen. So etwas gilt dort als unattraktiv.“ In dem Moment dachte ich, dass da etwas in mir existierte, was es zu schützen galt.

KEYS: Dein Bandkollege hat den Begriff „Unattraktiv“ benutzt?

Gary Numan: Ja, ein seltsames Wort für so etwas, aber das hat er gesagt. Er meinte, dass dieser Song seine besonderen Merkmale, die ihn auf Platz eins der Charts katapultierten, gefehlt hätten, wenn ich ein ausgebildeter Musiker gewesen wäre. Seine Bemerkung wurde zu einem Maßstab für das, was ich lange Zeit von mir als Künstler dachte. Und so habe ich nie Musikunterricht genommen und auch sonst keine besonderen Anstrengungen unternommen, um ein besserer Musiker zu werden. Meine Fertigkeiten in diesem Bereich sind auf die absoluten Grundkenntnisse beschränkt – und ich bin der erste, der das zugibt. Heute ist mir das auch gar nicht mehr unangenehm. Ich fühle mich wohl mit den Talenten, die ich habe, genauso wie mit dem Mangel an anderen. Gerade in den Achtzigern war das noch ganz anders – weshalb ich großartige Musiker anheuerte, um meine Songs besser zu machen. Genau das war aber ein Problem.

Das gesamte Interview mit Gary Numan zu seinem neuen Album "Intruder" lest ihr in der aktuellen KEYS 7/2021!

Autor: Florian Friedmann / Foto: Chris Corner IAMX


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